farblose Christbaumkugeln aus Meisenthal, Jahreskugel 2022

Weihnachtliche Glasbläserkunst in Meisenthal, Nordvogesen

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Mit Weihnachten verbinde ich auch die Kunst des Glasblasens. Vor allem Lauscha ist in Deutschland ein Begriff, wenn es um Weihnachtsbaumschmuck geht. Schaut man zu den französischen Nachbarn, so liegt das Zentrum der Glaskunst in den Nordvogesen. Vor allem Meisenthal hat sich hier als Mekka für Weihnachtsbaumkugeln etabliert, denn in der „Site Verrier“ wird jedes Jahr ein besonderes Sammlerstück für Weihnachten hergestellt.

Die Geschichte der Glashütten in den Nordvogesen, an der Grenze zwischen Elsass (Département Bas-Rhin) und Lothringen (Département Moselle) im heutigen Grand Est, reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Die Lage war günstig für die Glasherstellung. Der Sandstein der Nordvogesen erodiert zu Sand, Pottasche wurde aus den vorhandenen Buchen und Farnen gewonnen und Brennholz gab es Dank der dichten Wälder auch genügend. Dazu war es eine ärmliche Gegend und die Bevölkerung konnte als billige Arbeitskräfte für das preiswerte Gebrauchtglas herangezogen werden.

Glasmanufaktur/Glashütte Meisenthal, Ansicht 2022.
Glasmanufaktur Meisenthal, 2022

Auch das Dorf Meisenthal entstand im 16. Jahrhundert um eine dieser frühen Glashütten.

Kurze Geschichte der Glashütten Frankreichs

Es waren damals kleine, einfache Hütten mitten im Wald, die das umliegende Waldstück für die Glasbläserei nutzten und abholzten. War das Rohmaterial erschöpft, verließ man die Hütte und zog weiter. Erst mit dem 30-jährigen Krieg im 17. Jahrhundert änderte sich dieses Nomadentum, auch weil das Holz knapp wurde und die Bevölkerung extrem ausgedünnt war.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden dann nachhaltigere Glashütten, die den Wald auch wieder neu anpflanzten und so einen Holzkreislauf etablierten. Auch Ludwig XIV. förderte die neuen Glashütten, um sich unabhängiger von Italien zu machen. In diesem Zuge entstand auch 1704 in Meisenthal eine neue Glashütte (noch unter dem alten Namen „Meisenbach“, 1711 aber bereits als Meisenthal bekannt), die in der Hochphase der Glasbläserwerkstätten im 19. Jahrhundert einige hundert Mitarbeiter beschäftigte.

Karte der aktuellen Glasmanufakturen in Grand Est aus dem Glasmuseum in Meisenthal.
Karte der aktuellen Glasmanufakturen

Doch mit dem „grande guerre“ (1. Weltkrieg) und dem 2. Weltkrieg, bei dem sich erneut die „Besitzverhältnisse“ für Elsass-Lothringen änderten, Millionen von Menschen ihr Leben ließen und sich Konsumgewohnheiten änderten, setzte ein langsames Glashüttensterben ein, das deutlich bis in die 1970er Jahre reichte. Heute sind nur noch wenige, sehr spezialisierte Manufakturen und Glashütten erhalten geblieben.

Umbruch in Meisenthal – Museum & Internationales Zentrum für Glaskunst

Meisenthal traf ebenfalls dieses Schicksal und wurde am 31.12.1969 geschlossen. Wurden hier und auch in der geschichtlich eng verbandelten Glasproduktion von Goetzenbruck lange Gebrauchtgläser wie Brillen, Uhrengläser und Thermometer gefertigt, überleben heute in den Nordvogesen nur Glashütten, die sich auf künstlerische oder Luxusglaswaren spezialisiert haben.

CIAV, Meisenthal.
CIAV, Meisenthal

Dies ist auch heute der Grund, warum Meisenthal wieder oder auch noch existiert. Seit den 1970er Jahren setzen sich die Freunde der Glashütte Meisenthal für den Erhalt ein. 2011 entschied man sich dann, das alte Glashüttengelände grundlegend zu restaurieren. Bis 2021 entstand nach einem 2014 durchgeführten Architekturwettbewerb und der Einreichung der Baugenehmigung 2017 u.a. das neue Betongebäude für das seit 1992 existierende Internationale Zentrum für Glaskunst (Centre International d’Art Verrier, CIAV) – die „Zwillinge“, ein modernes Betongebäude, in dem auch Ausstellungen stattfinden. Ende 2022 war es eine Ausstellung über Architektur und Fotografie.

Umgestaltetes Gelände von Meisenthal mit CIAV, Schornstein und Halle Verrière.
umgestaltetes Gelände in Meisenthal

Im CIAV stellt mit wieder mit 14 Glasmachern in zwei Werkstätten die Weihnachtsbaumkugeln in einer manuellen Produktion her, für die Goetzenbruck und Meisenthal seit 1758 bekannt sind.

Vitrine mit den jährlichen Christbaumkugeln aus Meisenthal.
Vitrine mit den jährlichen Christbaumkugeln im Glasmuseum

Die Legende besagt, dass eine schlechte Ernte zu wenig Äpfel für den Baumschmuck hervorbrachte und die Glasbläser eine Alternative schufen, die schnell auch über Elsass-Lothringen hinaus populär wurden. Doch Lauscha (Thüringen) ist noch ein paar Jahre früher dran gewesen mit seinen Weihnachtsbaumkugeln und gelten somit als Erfinder des ältesten Christbaumglasschmucks der Welt.

Christbaumkugeln aus Meisenthal kaufen

Die seit 1998 jährlich gefertigten, ausgefallenen und sehr modernen Interpretationen an Weihnachtsbaumkugeln aus Meisenthal sind wahre Sammlerstücke. Rund 30.000 Menschen machen sich jährlich auf den Weg in den kleinen Ort, um im neuen Verkaufsraum für die begehrten Kugeln anzustehen.

Neugestalteter Museumsshop in Meisenthal.
Neugestalteter Museumsshop in Meisenthal

Auch ich konnte mich dem Charme dieser zeitgenössischen und oft auch industriell angehauchten Kugeln für den Weihnachtsbaum nicht erwehren und habe mich eingedeckt. Außerdem überlege ich, wie ich es dieses Jahr noch nach Meisenthal schaffe, um mir das neueste Schmuckstück „Stella“ zu sichern. Jede Person darf dabei aber maximal zwei Kugeln der aktuellen Weihnachtsbaumkugel kaufen. Auch die noch aus den letzten Jahren vorhandenen Kugeln sind limitiert. Doch es lohnt sich!

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Mehr Informationen

Auch auf Weihnachtsmärkten in der Umgebung, wie z. B. in Metz, Straßbourg oder Colmar, werden die Kugeln außerhalb von Meisenthal verkauft. Dort sind sie aber meist auf nur eine Kugel pro Kund:in reduziert oder auch schon bereits ausverkauft!

Shop Meisenthal

Place Robert Schuman
57960 Meisenthal
Frankreich

Öffnungszeiten
16.11.-30.12.2023 (außer 24./25.12.)
Dienstag-Sonntag: 13:30-18 Uhr
Montag geschlossen

Site Verrier Meisenthal – Museum

Für einen Einstieg in die Geschichte der Glashütten in den Nordvogesen sowie in die Herstellung von Glas lohnt ein Besuch im angeschlossenen Glasmuseum in Meisenthal. Der geschwungene Neubau des Eingangs für das 1978 eröffnete Museum, der in seiner Wellenform an die umgebende Landschaft erinnern soll, wurde erst im Mai 2022 fertiggestellt. Sowohl auf Französisch als auch Deutsch tauchst Du ein in die Grundsubstanzen, die Anfänge der Glashütten sowie die Herstellungsmöglichkeiten von verziertem Glas. Wie bekommt eigentlich ein Glas seine besondere Form oder Muster? Das Museum hat die Antworten.

Eingang zum Glasmuseum in Meisenthal in der Dämerung mit Beleuchtung am Eingang und in den Fenstern.
Eingang zum Glasmuseum

Besonders stolz ist Meisenthal aber auch, als Wiege des Jugendstilglases („Berceau du verre Art Nouveau“) zu gelten. Zurückzuführen ist dies auf die Zusammenarbeit mit dem aus Nancy stammenden Émile Gallé, dem bekanntesten Vertreter des französischen Jugendstils (Art Nouveau) im Kunstgewerbe, von 1867 bis 1894. Mit seinen neuen Herstellungsmöglichkeiten und Designs entstanden wunderschöne Glasvasen und andere Glaswaren. Heute sind seine Vasen und Lampenschirme ebenfalls heißbegehrte Sammlerobjekte. Ihm verdankt die Kunstglaswelt große Fortschritte, denn er verstand es, intensive Farben mit der Durchsichtigkeit des Materials zu vereinen.

Bemahlte Glaswaren, 2 kleine runde Vase, eine quadratische Box und eine Flasche mit Glasverschluss, reichlich verziert, bäuerliche Motive, im Glasmuseum Meisenthal.
Bemalte Glaswaren mit bäuerlichen Motiven

Dazu kommt sein Einfluss, sich nicht nur auf klassische Bemalung von Vasen und anderen Glasartikeln auszuruhen. Mit dem Besuch der Weltausstellung in Paris entdeckte er ausländische Kunst, vor allem japanische Einflüsse für sich. So entstanden Motive mit Wellen und Karpfen, für die spezielle Farben von Gallé entwickelt wurden. Auch Emaille kam zum Einsatz, die perlenartig erscheint.

Außerdem zeigt das Museum Sonderausstellungen, wie in 2022 über die Geschichte, die Baustelle und Bauarbeiten der neuen Gebäude auf dem Gelände der Glasmanufaktur Meisenthal. Wie der über 100 Jahre alte, windschiefe Schornstein dabei erhalten wurde oder die 12.000 Stücke in der Glassammlung durch die Freunde der Glashütte zusammengetragen wurden.

Blick auf den windschiefen Schornstein in Meisenthal aus einem rautenförmigen Fenster des Glasmuseum heraus.
Blick auf den windschiefen Schornstein

Herstellung der Christbaumkugeln von Meisenthal beiwohnen

Das Museum ist über eine Fußgängerbrücke mit dem CIAV verbunden. Nach meinem Besuch des Glasmuseums konnte ich nachmittags bei der Produktion der Christbaumkugeln in der Schauwerkstatt zusehen. Jeder einzelne Schritt wird hier transparent gemacht und kann von einer Empore aus beobachtet werden. Wie das Glas im Glasofen erhitzt wird, bis es anfängt sich zu verflüssigen. Dann geblasen wird, gerollt, in Form gepresst. Wie die Öse geformt und angebracht wird, durch den später ein Faden zum Aufhängen der Kugeln am Weihnachtsbaum gezogen wird und vieles mehr.

Meist wird an einem Nachmittag eine Charge einer bestimmten Farbe der Christbaumkugel von Meisenthal produziert. Das kann mattes oder glänzendes Glas sein, von dunklen Tönen bis hin zu farblos. Meisenthal deckt hier jeden Geschmack ab. Doch natürlich ist es schwierig, genau die Farbe zu bekommen, die man unbedingt haben möchte. Denn man weiß nie, wann diese Kugel an welchem Nachmittag hergestellt wird. Auch bei dem Andrang am Verkaufsraum, der einen gut 1-1,5 Stunden warten lassen kann, ist nicht immer alles vorrätig und es herrscht eher das Motto: „Nimm, was Du bekommen kannst.“

Im Vorraum der Schauwerkstatt kannst Du außerdem den Designprozess der aktuellen Weihnachtsbaumkugel nachvollziehen. 2022 war es ein Raum mit Weinflaschen, deren Flaschenboden die Jahreskugel 2022 beeinflusste. Denn Wein hat immer etwas Festliches, wie das Weihnachtsfest. Perfekt für Christbaumschmuck, meiner Meinung nach.

Designansatz für die Meisenthal Weihnachtsbaumkugel 2022 im Voraum der Glaswerkstatt - zahlreiche Weinflaschen stehen kopfüber auf einem kleine Podest, zaghaft angestrahlt ergibt sich ein interessantes Licht- und Schattenspiel.
Designansatz für die Meisenthal Weihnachtsbaumkugel 2022

Glasmuseum und Glasmachervorführungen

Place Robert Schuman
57960 Meisenthal
Frankreich

Website (französisch)

Öffnungszeiten
16.11.-30.12.2023 (außer 24./25.12.)
Dienstag-Sonntag: 13:30-18 Uhr
Montag geschlossen

Preise
Erwachsene: 5 Euro
ermäßigt: 3 Euro (Studierende, Menschen mit Behinderung, Arbeitssuchende, …)
bis 18 Jahre: kostenlos

Tickets gibt es am Eingang des Museums oder im Shop
letzter Verkauf von Eintrittskarten: 17 Uhr

Zugang zum gesamten Parcours – Glasmuseum, CIAV, Halle Verière

Halle Verrière – Veranstaltungen inmitten von Glasöfen

In der alten Fabrikhalle, die ebenfalls im Rahmen der Bauarbeiten umgebaut wurde, konnten zwei Glasöfen erhalten werden. Diese geben der neugeschaffenen Veranstaltungslocation „Halle Verrière“ einen ganz eigentümlichen Charme. Ob Konzert, Kabbarett oder Sektempfang – die Halle wird vielfältig genutzt und ergänzt so das Angebot von Museum, künstlerischem Zentrum und pädagogischer Weiterbildung um einen Platz für Kunst und Kultur in den Nordvogesen.

Halle Verrière mit neugestaltetem Eingang, windschiefem Schornstein davor, links beleuchteter Eingang zur Site Verrière Meisenthal, da die Dämmerung einbrach.
Halle Verrière mit neugestaltetem Eingang und dem windschiefen Schornstein davor

Es lohnt also, einen Abstecher nach Meisenthal zu unternehmen – nicht nur zu Weihnachten oder wenn Du Dich für Glasbläserkunst interessiert.

Anreise nach Meisenthal

Glashütte Meisenthal
Place Robert Schuman
57960 Meisenthal
Frankreich

Lage

Der kleine Ort Meisenthal liegt ca. 15 km südlich von Bitsch in Lothringen im Naturpark Vosges du Nord und im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen (übergreifend zwischen Deutschland und Frankreich), unmittelbar an der Grenze zum Elsass. Die ganze Region nennt sich mittlerweile Grand Est.

Auto & Zug

Eine Anreise mit dem Auto ist empfehlenswert. Saarbrücken liegt ca. 40 km (1h) nördlich, Karlsruhe ca. 60 km (ca. 1,5h) nordöstlich von Meisenthal entfernt. Nach Metz dauert es rund eine Stunde ebenso nach Haguenau oder Straßburg. Nancy ist etwa 1,5 Stunden entfernt.
Mit dem Zug ginge sicherlich auch eine Anreise bis Metz, Saarbrücken oder Straßbourg. Von dort aus könntest Du einen Mietwagen nehmen, um in die bergigen Vogesen zu reisen.

Übernachten in den Nordvogesen

Im 700-Einwohnerdorf Meisenthal direkt wird es schwer mit Übernachtungsmöglichkeiten, doch in den Nordvogesen gibt es einige schöne kleine Hotels und Unterkünfte. Ggf. in der Karte* etwas raus- oder reinzoomen:

Booking.com

* Die Karte wird von booking.com bereitgestellt und enthält Affiliate-Links (Werbelinks) – wenn Du darüber buchst, erhalte ich eine kleine Provision als Dankeschön. Das hilft mir, die Seite am Laufen zu halten.

Ich selbst habe in Reipertswiller im La Couronne* mit Blick auf die nebelverhangenen Hügel der Vogesen sowie eine weitere Nacht in Saverne (Zabern) in der Villa Katz* übernachtet.

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Weihnachtsgeschenke bzw. Leseempfehlung

Zur Glasbläserkunst, vor allem wie Weihnachtsbaumschmuck in Lauscha entstand, gibt es eine schöne Romanreihe von Petra Durst-Benning über eine Glasbläserin. Die Romane habe ich früher verschlungen und sind meiner Meinung nach eine Tipp auch für unter den Weihnachtsbaum*.

* Affiliate-Links (Werbelinks) von amazon.de – beim Kauf darüber erhalte ich zum Dank eine kleine Provision.


Fotos: Diese und viele weitere Fotos findest Du zur Inspiration auf Flickr. Sie unterliegen meinem Urheberrecht.

Offenlegung: Vom 24.-27.11.2022 war ich von Atout France sowie Agence Régionale du Tourisme Grand Est zur Pressereise “Glasarbeiten & märchenhaftes Licht in der Vorweihnachtszeit” eingeladen. Meine Meinung bleibt davon unbeeindruckt.

Dieser Artikel wurde zuerst am 21.12.2023 veröffentlicht und zuletzt am 21.12.2023 aktualisiert.


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Romy

Romy (*1981) hat ihre Heimatbasis in der Ruhrmetropole Dortmund und arbeitet als Blogger und Freelancer im Bereich Social Media, Content Strategie und Community Management.

Sie bloggt seit 2006.
Übers Reisen regelmäßiger seit 2013. Wenn sie Zeit dazu findet.

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