Als Erstes: Bitte mach das nicht nach. Es ist schmerzhaft, deprimierend und einfach nicht schön, einen Urlaub bzw. eine Reise abbrechen müssen. Ich habe Interrail gemacht und mir Großbritannien, also die UK, als Ziel ausgesucht. Mit einem Zwischenstopp in London, bevor ich abends mit dem Nachtzug „The Caledonian Sleeper“ bis nach Inverness in den Schottischen Highlands gefahren bin – nur, um wenige Tage später unter Schmerzen und mit Hilfe diverser Mobility Services wieder die lange Rückreise anzutreten.
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Die Vorgeschichte
Dieser Unfall hatte eine Vorgeschichte. Auf unserer Urlaubsreise nach Island im April habe ich mir auf dem Hinweg das Kreuzband im linken Knie gerissen. Ganz unrühmlich. Ich wünschte, ich hätte dazu eine coole, abenteuerliche oder aufregende Geschichte, die Dich an den Monitor fesselt. Doch ich bin weder Profifußballerin noch Bergsteigerin, so dass mir das Kreuzband ganz unspektakulär riß, als ich eine Frau an den Fensterplatz im Flieger ließ und schnell auf meinen Mittelsitz gehen wollte. Was ein Schmerz.
Doch in den folgenden Wochen lief es immer besser mit dem Knie. Ich humpelte zwar anfangs stark durch Island, doch vor der Reise nach Schottland, fast exakt zwei Monate nach dem Kreuzbandriss, fühlte ich mich sehr stabil und sicher. Ich hatte die akute Schmerzphase hinter mir, es gab einen Befund und bis zu einer Entscheidung für oder gegen eine OP konnte ich mir ein wenig Zeit lassen. Dazu startete ich eine Physiotherapie, also Gewichtstraining für meine Beine und hatte dabei sehr viel Spaß. Der Muskelaufbau machte sich bemerkbar und ich konnte ohne Probleme auch größere Strecken laufen und zuletzt auch wieder normal Treppe steigen.
Ich war auf einer dreitägigen Konferenz, der re:publica in Berlin und auf dem zweitägigen Elbjazz-Festival in Hamburg. Konnte vor der Bühne stehen, tanzen. Ich fühlte mich sicher. Leider zu sicher.
Mit dem Zug nach Schottland
Daher stand es für mich nicht zur Debatte, nach all den unkomplizierten, schmerzfreien Schritten und Erfolgen, die ich verzeichnen konnte, meine Interrail-Reise nach Schottland abzusagen. Zu lange hatte ich dafür geplant und mich darauf gefreut.
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Von Bloggerkollegin und Freundin Inka aus Berlin habe ich mir extra noch einen Rucksack geliehen, da ich in Zügen nicht mit einem Trolly unterwegs sein wollte. Vor allem in Nachtzügen ist oft wenig Platz und die Gänge sehr schmal, so dass ich lieber auf einen Trekkingrucksack zurückgreifen wollte.
Doch ich hatte erstens nicht bedacht, dass ich damit ja zusätzlich Gewicht auf mein Knie lud und zweitens, dass ich zu viel Zeit in London haben würde. Diese Zeit habe ich wie immer genutzt, um die Stadt zu erkunden. Bei Städtereisen kann ich leider nie anders, als viel zu Fuß zu gehen – und mich meist zu übernehmen. Dabei macht sich das meist nur in den Füßen bemerkbar und dies ist mit Schlaf, also Ruhe, oft auszugleichen.
Zwischenstopp London
Doch ich startete in die Reise bereits mit einem Schlafdefizit. Um genügend Zeit für die Security und Passkontrolle am Brüsseler Bahnhof zu haben, entschied ich mich für den ersten Eurostar (Ex-Thalys) nach Brüssel gegen 5 Uhr Freitag morgens (Alternative: mit dem ICE ab Köln nach Brüssel, z.B. mit dem (Super-)Sparpreis günstig nach Belgien*). Außerdem für einen frühen Zug nach London, da ich seit 2015 oder so nicht mehr in der britischen Hauptstadt war.
London ist so schön und vielfältig. Hat so viele interessante Ecken zu bieten. Dazu ein Melting Pot an den unterschiedlichsten Menschen, die auch die Kulinarik in der Stadt prägen. Ich wollte so viel wie möglich davon in mich aufsaugen.
Dabei bemerkte ich anfangs nicht, wie viel ich durch die Stadt schlenderte. Später, als ich dann den zwischenzeitlich untergestellten Rucksack abholte und mich zur Bahnstation London Euston schleppte, merkte ich letztendlich, wie sehr mich der Tag schlauchte. Dazu kam noch etwas Wartezeit ohne geeignete Sitzmöglichkeiten sowie ein Abteil im letzten Wagen – am anderen Ende des Bahnsteigs. So ein Nachtzug ist verdammt lang.
Caledonian Sleeper nach Inverness
Wie erwartet waren die Gänge im Wagen und auch die Schlafkabinen relativ eng. Doch der Vorteil (z.B. gegenüber dem ÖBB): ich musste mir die Kabine mit niemanden teilen. So hatte ich meine Ruhe, konnte mich etwas verteilen, rumlümmeln, nachts auf Toilette, ohne jemanden zu stören.
Doch ich kam ewig nicht zur Ruhe. Meine Beine machten sich bemerkbar, ich ging später schlafen als ich geplant hatte, schlief anfangs unruhig. Meine Beine wollten nicht zur Ruhe kommen, auch wenn sonst alles stimmte. Ich schlief dann aber doch besser als erwartet. Die Matratze und das Bettzeug beim Caledonian Sleeper waren wirklich gut. Dazu Ohrstöpsel rein und Schlafmaske auf und am nächsten Morgen (Samstag) in schönster Landschaft aufwachen und ein wenig zu Frühstücken.
Bis dahin war alles gut. Doch dann bin ich bepackt zu meinem AirBnB gelaufen. Mit all der Müdigkeit in den Beinen, mit dem 15-16 kg schweren Rucksack auf dem Rücken. Einen steilen Anstieg hinauf. Vielleicht das, was mir schon etwas den Rest gab und ich bemerkte die Anzeichen nicht.
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Inverness & Culloden
Meine AirBnB-Hosts hatten mir bereits gesagt, dass ich schon eher ins Zimmer kann und so war ich um 9 Uhr bereits bei Ihnen und trug meine Sachen hinauf in den ersten Stock, packte einen kleinen Rucksack und zog wieder los. Um Inverness zu erkunden, ausgiebig zu Frühstücken und um mit dem Buss zum Culloden Moor zu fahren – „Outlander“ geschuldet. Immer die Müdigkeit im Schlepptau.
Schon in Culloden mochten meine Beine nicht mehr. Es gab kaum Sitzmöglichkeiten. Im Besucherzentrum musste ich mir bewusst Zeit nehmen, sitzen, was trinken. Doch ich wollte noch etwas von Inverness sehen. Also zurück zum Bus – und auf den erstmal über 20 min warten, kaum Sitzmöglichkeiten, die Füße schmerzten immer mehr. Dann eine riesige Stufe, weil der Fahrer den Bus nicht absenkte. Von da an tat mir ein wenig das Knie weh, meine ich. Doch das hielt mich nicht ab, noch durch Inverness zu schlendern.
Unternimm eine Stadtführung durch Inverness*, um mehr von der Hauptstadt der Highlands zu entdecken.
Auch entdeckte ich eine Werbung für das älteste Haus in Inverness. Ein Haus aus dem Jahre 1593, welches vom National Trust for Scotland unterhalten wird und bis 16 Uhr kostenlos geöffnet hat. Das sollte der letzte Punkt sein, bevor ich noch bei Coop oder M&S Essen kaufen wollte für die nächsten Tage.
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Der Unfall im Abertaff House
Doch im Abertaff-Haus, so der Name des ältesten Hauses, war die letzte Stufe diejenige, die mir den Rest gab. Ein ungeheurer Schmerz zog wieder durch mein Knie, dass nun nicht nur 1 oder 2 Mal, sondern immer wieder, unzählige Male wegrutschte. Der Herr, der dort arbeitete, bot mir sofort seine Hilfe und einen Stuhl an, doch ich konnte nicht mal auf diesen zuhumpeln und so spielte ich für die nächsten unendlich erscheinenden Minuten den Türwächter.
Der Schmerz wollte nicht unbedingt weniger werden und ich versuchte, im Schock auf Englisch zu erklären, was passiert ist. Dabei rann die Zeit unaufhörlich in Richtung Schließung und somit Feierabend des netten Herren und ich musste irgendwie aus diesem Gebäude raus. Doch dazu musste ich mindestens fünf Stufen am Haus und am Grundstück bewältigen. Anfangs schien mir das unmöglich. Schier gefangen fühlte ich mich in meinem Schmerz und in den alten Mauern (von denen aktuell übrigens nur zwei schlichte Räume zu besichtigen sind, aber man kann hier heiraten!).
Irgendwie half er mir bis auf eine Sitzmöglichkeit direkt vor dem Haus, schenkte mir noch einen Stockregenschirm, auf den ich mich ein wenig aufstützen konnte und fragte mich, ob er irgendwie helfen könne. Er war ein sehr aufmerksamer, kümmernder Angestellter, der eigentlich nichts davon hatte außer Ärger und ich wollte ihm auch nicht länger zur Last fallen. Er ging in seinen Feierabend und ich schrieb mit meinen AirBnB-Hosts, was passiert war und was ich tun solle/könne.
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Planungsänderungen – Reiseabbruch, Umbuchungen und Mobilitätsservice
Vom Krankenhaus und NHS rieten sie mir ab. War mir aber auch klar, dass das eher wie in Island laufen würde – langes Warten, abchecken, aber keine Stabilisierung möglich. In Deutschland sind die Möglichkeiten wirklich viel besser. Schmerzmittel hatte ich zudem selbst. Es war jetzt nur eine Frage, wie ich die eigentlich 10 min zu Fuß zwischen Abertaff-Haus und meiner Unterkunft überwinden sollte.
Taxi rufen war kein Problem. Es gibt direkt vor dem Haus eine Möglichkeit, dass ein Auto halten konnte und eine Abgrenzung mit Steinen, auf die ich mich setzen und warten konnte. Gesagt getan. Nach einer halben Ewigkeit unter Schmerzen schaffte ich es zu dieser Steinbegrenzung und eine weitere Ewigkeit später kam auch das Taxi, welches mich bis zum Haus brachte. Auf dem Weg zum Einsteigen in das Taxi brach dann aber bereits der Schirm. Der Plastikgriff hielt der Belastung nicht stand. Sehr Schade, denn es war so ein schönes Tartanmuster.
Meine AirBnB-Hosts erwarteten mich schon und halfen mir erstmal in ihr Wohnzimmer unten. Da ich keine Chance hatte, irgend etwas einzukaufen, versorgten sie mich eine Weile mit etwas Käse, Wurst und Brot. Dafür war ich sehr dankbar. Parallel überlegte ich meine Optionen. Ich wusste aber, allein, mit dem schweren Rucksack werde ich kaum die Touren in den nächsten Tagen schaffen oder gar die Reise komplett absolvieren können. Daher entschied ich mich für einen vorzeitigen Abbruch meiner Reise.
Alternativen durchspielen
Ich schaute währenddessen auf meinem Smartphone, wie ich am Besten von Inverness wieder nach Dortmund käme. Wann noch Tickets für die Züge von London nach Brüssel verfügbar sind und auch, wie ich von Brüssel dann nach Dortmund weiterkäme. Auch Flugverbindungen checkte ich* – vielleicht aber an der falschen Stelle und hätte bei den Last-Minute-Angeboten von Skyscanner* schauen sollen. Schnell kristalisierte sich heraus – das wird nicht einfach und auch nicht billig. Flüge waren so kurzfristig nicht realisierbar oder gar bezahlbar. Auch mit dem Zug von Inverness an einem Tag nach Dortmund kommen, war utopisch.
Da ich noch mein Interrail-Ticket hatte, konnte ich damit wenigstens ohne große Zusatzkosten bis London kommen – wenn ich das Problem mit dem Rucksack löse. Schon in Island am Flughafen und auf dem Rückweg ist mir der Mobilitätsservice positiv aufgefallen. Etwas, worüber man sich sonst keine Gedanken macht, wenn man nicht darauf angewiesen ist. So etwas gibt es natürlich auch bei Zugverbindungen an Bahnhöfen. Der Plan nahm langsam Gestalt an.
Doch wo auf dem Rückweg übernachten? London? Spontant sehr teuer. Also ging ich zig Möglichkeiten durch und entschied mich dann für Glasgow. Denn von dort fahren Züge durch bis London und im Bahnhof Glasgow Central gibt es ein alterwürdiges Bahnhofshotel*, direkt in das Gebäude integriert. Perfekt.
Zwei Tage Inverness „gefangen“ im AirBnB & mit Mobilitätsservice zurück
Langsam beruhigte sich mein Knie und mein Schock verflog. Unter Hilfe der AirBnB-Hosts schaffte ich es die Treppe hinauf zum Zimmer. Immerhin mit eigenem Bad und alles auf wenigen Quadratmeter, so dass ich mich nie groß bewegen musste. Ich konnte mich schonen, regenerieren und die nächsten drei Tage hätte ich eh hier verbracht und waren bezahlt.
Als mein Plan Formen annahm, Dienstag von Inverness nach Glasgow zu reisen und dann von Glasgow am Mittwochmorgen via London und Brüssel zurück nach Dortmund, ging ich alles durch, was auf dem Plan gestanden hätte und versuchte, alles zu stornieren und neue Verbindungen, das Hotel in Glasgow und auch Mobilitätsservice anzurufen und zu buchen.
Die über GetYourGuide am nächsten Tag gebuchte Tour, die mich u.a. zu Loch Ness führen sollte*, konnte ich nicht mehr stornieren, gab aber Bescheid, so dass keiner auf mich am Morgen am Bus warten musste. Eine weitere Tour mit GetYourGuide zur Isle of Skye* konnte ich noch stornieren und bekam mein Geld zurück.
Auch beim AirBnB in Glasgow und dem via booking gebuchten Hotel in Manchester* war dies möglich sowie bei der Graffititour durch Glasgow. Die Rückfahrt mit dem Eurostar ab Lüttich für den Dienstag eine Woche später war auch noch problemlos möglich (ich wollte ursprünglich noch einen Tag Lüttich dran hängen). Von Manchester ist es nicht mehr weit nach Wales. Entweder als Tagestour* oder als mehrtägigen Roadtrip, wie ich ihn unternommen habe.
Du interessierst Dich für einen Roadtrip durch Wales? Meine Serie zu meinem viertägigen Roadtrip inklusive Convy Castle, Anglesey, Caernarfon Castle, Snowdonia, Aberystwyth sowie Powis Castle.
Leider musste ich die Reservierungen für die einige Züge innerhalb von UK sowie für den Eurostar von London nach Brüssel verfallen lassen, da diese nicht stornierbar sind. Aber was soll’s. Es ging mir mittlerweile nur noch darum, nach Hause zu kommen und niemandem mehr zur Last zu fallen – also nicht mehr als nötig.
Hilfe für mobilitätseingeschränkte Menschen an Bahnhöfen in UK & Belgien
Erste Hilfe übrigens, um mich zu versorgen und die zwei Tage im AirBnB-Zimmer zu überlegen: Deliveroo. Es gab für Neukund:innen einen 12 Pfund-Rabatt und so bestellte ich für rund 25 Euro einige Lebensmittel und Getränke sowie Snacks für zwei Tage und nach Absprache mit meinen Hosts. Denn für ein warmes Abendessen brauchte ich Kühlschrank und Mikrowelle und somit deren Küche – was so auch eigentlich nicht Teil der Abmachung war. Dafür fuhr ich aber einen Tag eher ab und sie hatten das Geld für die Übernachtungen ohne Abzüge.
Meine Hosts waren sehr hilfsbereit und vor allem zu Ian hatte ich Dank Fußball und Europameisterschaft einen guten Draht und Unterhaltungsgrundlage gefunden, so dass es nicht zu komisch wurde. Doch mir war das alles hochgradig unangenehm.
Service von Inverness via Glasgow nach London Euston
Doch nun zu den wichtigen Infos, die sicherlich auch für andere hilfreich sind. Es gibt verschiedene Zugbetreiber, an die man sich für den Mobilitätsservice wenden kann oder auch direk an die Bahnhöfe. Für meine Strecken von Inverness nach Glasgow (Queen Street) sowie von Glasgow Central nach London Euston habe ich mich bei ScotsRail gemeldet und hatte eine bezaubernde Dame am Telefon, die erstmal ein Profil für mich anlegte und alles in Ruhe mit mir durchging. Sie teilte mir Treffpunkte und Zeiten mit und via E-Mail erhielt ich auch eine Confirmation Number, also eine Vorgangsnummer.
ScotsRail: (+44) 0800 0461 634 – für „passenger assistance“ auf Zügen/Strecken der Eisenbahngesellschaft
Sie erklärte mir, dass mich in Glasgow Queen Street Leute im Zug abholen und mich in einen Bus zu Glasgow Central Station setzen werden. Auch sollte dort dann jemand warten und mir helfen, die paar Meter ins Hotel zu kommen.
Das war leider etwas, was nicht geklappt hat. Ansonsten war das Inverness und auch in Glasgow Queen Street kein Problem. Menschen halfen mir mit der Tasche, halfen mir in und aus dem Zug. Mittlerweile konnte ich schon wieder halbwegs humpeln – eben nur langsam, aber ein Rollstuhl war nicht zwingend nötig. Im Bus aber fand dann ein Personalwechsel statt und niemand half mir mit der Tasche raus oder wartete dann auch an der Bushaltestelle, so dass ich einen freundlichen jungen Mann in seiner Mittagspause ansprach und dieser half mir dann ins angrenzende Hotel.
Im Hotel gab es Concierge-Service und freundliche Mitarbeitende, die mir den Rucksack aufs Zimmer brachten und auch am nächsten Morgen aus dem Zimmer abholten und dann die wenigen Meter bis zum Mobilitätsservice (ein kleiner Pavillon in der Bahnhofshalle) brachten, wo mich dann am Mittwochmorgen Michelle in Empfang nahm. Sie fuhr eine Dame und mich dann direkt mit einem Art Golf Cart zum Zug. Da dieser reservierungspflichtig war, hatte ich meinen Sitzplatz und das Servicepersonal wusste sowohl in Glasgow als auch in London Euston, wo sich mich abgeben bzw. einsammeln mussten. Das klappte alles ganz gut.
Passenger Assistance Contact Numbers (siehe Bild):
- Scotrail: (+44) 0800 046 1634
- Avanti West Coast: (+44) 0800 015 8123
- LNER: (+44) 0345 722 5333
- Transpennine Express: (+44) 0800 030 2149
- Cross Country: (+44) 0800 030 9224
London Euston – London St. Pancras
Die Zeit verflog fast wie von alleine. Ich konnte aber auch gut im Zug nach London Euston schlafen. Nur auf Toilette traute ich mich nicht. Noch zu unsicher auf den Beinen, versuchte ich also, so wenig wie möglich zu trinken und durchzuhalten. Musste ich auch, denn ich hatte keine Chance auf eine Toilette bis nach der Passkontrolle in London St. Pancras im Eurostar-Terminal. Aber es ging irgendwie. Der Körper ist manchmal zu krassen Leistungen fähig.
In Euston konnte ich auch nicht im stehenden Zug aufs Klo (andere Reisende mit Mobilitätsservice hatten es sehr eilig) und die Toiletten waren auf der anderen Seite der langen Halle, weit weg vom Mobilitätsservice und dem Taxistand – und mein Zeitpuffer wurde etwas knapp. Also mit Betreuer auf ein Taxi für mobilitätseingeschränkte Personen gewartet, mit St. Pancras telefoniert, da es abgesprochen war, dass ich anrufe, wenn ich im Taxi sitze. Bis dahin war ja alles mit ScotsRail durchgebucht.
St. Pancras: (+44) 0207 84 37 610 – „passenger assistance“ für den Bahnhof
Eurostar: Mobilitätsservice via Kontaktformular auf der Website angefragt – Antwort nur Montag-Freitag (!), Kontakt läuft dann via casereply@eurostar.com
Bis ich da aber durchkam, dauerte es und der Mann am anderen Ende war wenig freundlich. Eher barsch. Eigentlich sollte mich jemand direkt am Taxi in Empfang nehmen und dafür sollte ein Treffpunkt ausgemacht werden. Passierte alles nicht. Am Haupteingang in der Nähe von Starbucks sollte ich warten. Doch der Taxifahrer hielt etwas davor an. Das schilderte ich dann dem Service in einem zweiten Telefonat. Auch, wo ich ungefähr stand und warten würde. Doch es kam und kam keiner. Ich musste dies also selbst in die Hand nehmen.
Der Eurostar durch den Ärmelkanal
Meine Zeit für den Service bei Eurostar, den ich via E-Mail organisieren konnte, lief ab. Denn Eurostar zwischen London und Brüssel wird eher wie ein Flugzeug abgefertigt. Einchecken, Security Check, Passkontrollen usw. Um zu gewährleisten, auch mit mobilitätseingeschränkten Personen dadurch zu kommen, muss man spätestens 60 min. vorher bei Eurostar in St. Pancras sein.
Ich schleppte mich also humpelnd, durchgeschwitzt, am Ende meiner Kräfte und den Rucksack in der Hand irgendwie zurück zum Eurostar-Eingang. Das hatte ich auf dem Hinweg mir gemerkt und musste so nicht auch noch suchen. Dort halfen mir dann Mitarbeitende weiter, während ich kurz einen kleinen mental breakdown hatte. Aber ich konnte erstmal sitzen und mir wurde dann mit dem Gepäck und allem geholfen. Natürlich musste ich noch einmal kurz umpacken, denn mein Rucksack war mit 16 kg genau 1 kg zu schwer für den Service.
Merke: Eurostar Service hat Gewichtsanforderungen (pro Gepäckstück max. 15 kg) und auch Größenvorgaben (max 85cm hoch, 85 cm breit), die eingehalten werden müssen.
Auch wurde mir im Vorfeld mitgeteilt, ich müsste in der Lage sein, 200 m selbständig gehen zu können. Ein Rollstuhl könne mir nicht gestellt werden. Das seien die Vorgaben für den Tunnel. Wie ist das aber mit „echten“ Rollstuhlfahrenden? Werden die dann gar nicht mitgenommen?
Das klappte irgendwie, auch wenn der Typ in London nicht zuhörte oder gar wirklich Hilfe anbot. Eine Frau im Rollstuhl, die aber einige Schritte an Stöcken gehen konnte, brauchte die Rampe für den Rollstuhl nicht. Er stand aber einfach nur am Eingang rum und hat sie nicht festgehalten oder mal die Hand ausgestreckt. Das haben ihr Mann und ich dann gemacht. Dann diskutierte er ewig rum, welches ihre Plätze seien – dabei wollte sie halt nicht die ganze Zeit im Rollstuhl sitzen und hatte also den Platz für den Rollstuhl bezahlt sowie zwei Sitzplätze für sich und ihren Mann. Irgendwie haben wir es hinbekommen.
Brüssel-Midi – Eurostar oder SNCB?
Irgendwie haben wir es also dennoch alles hinbekommen. Die Zeit nach Brüssel verging im Gespräch mit dem älteren Pärchen sowie einem weiteren Fahrgast wie im Fluge. Am Bahnsteig in Brüssel wartete dann bereits das Mobilitätsteam des Eurostars. Doch schnell wurde klar, auch wenn der ehemalige Thalys nun zu Eurostar gehört – der Eurostar durch den Tunnel und die Züge durch Frankreich, Niederlande, Belgien und Deutschland haben nur den Namen nach etwas miteinander zu tun.
Das Mobilitätspersonal arbeitet quasi für London exklusiv und ist für den Weitertransport selbst in den eigenen Zügen nicht zuständig. Auch nach Rücksprache mit dem Team, wie in der E-Mail empfohlen, dass ich noch weiter muss, wurde nur auf den SNCB verwiesen. Dieser war telefonisch nicht zu erreichen und auch eigentlich nur zuständig, wenn dies über Eurostar gebucht wird. Denn der belgische SNCB zieht sich aus der Verantwortung, wenn die Reise nicht in Belgien startet oder endet.
Doch der Service kam auch hier wieder nicht. Auch durch Nachfrage am benachbarten SNCB-Schalters des Eurotunnel-Terminals, bei dem auch ein Herr mit einer ICE-Serviceweste tätig war und extra noch mal anrief und das System checkte, tauchte keine Hilfe auf. Zum Glück gab es eine ältere Dame, die den eigentlichen Zug nach London um einige Minuten verpasste und nun gemeinsam mit ihrer Familie auf den nächsten Zug zwei Stunden später wartete. Der Enkelsohn war sehr traurig über ihre Abreise. In meiner Tasche befanden sich noch zwei KitKat-Chunky-Riegel und so schenkte ich ihm einen, um ihn aufzumuntern – und einige Minuten später fasste ich allen Mut zusammen und fragte seine Mutter, mir zum Gleis meines Eurostars nach Dortmund zu helfen, das sich direkt neben dem Terminal für die Londonzüge befand.
Am Bahnsteig half mir dann noch eine junge Eurostar-Mitarbeiterin, die am Gleis half, direkt und unkompliziert, denn die Zeit lief unaufhörlich davon. Ohne die beiden Damen hätte ich es nicht rechtzeitig hoch zum Gleis geschafft, in den Zug und zu meinem Platz. Nur durch das direkte und freundliche Fragen meiner Mitmenschen habe ich dann auch die letzte Etappe der rund 14-stündigen Rückreise an diesem Tag gemeistert.
Fazit
Wenn Du nach einem Unfall auf Reisen oder im Urlaub nach Hause möchtest, die Zeit und die Möglichkeit besteht: storniere alle anstehenden Dinge, die Du nicht mehr wahrnehmen kannst und willst. Schau auch, ob Du eine Reiserücktrittsversicherung hast, die ggf. Kosten übernimmt. Buche, wenn möglich immer mit Stornierungsoptionen, vor allem bei Vorerkrankungen. Recherchiere ausgiebig, welche Optionen Du hast – ob Zug, Flug oder (Miet-)Wagen.
Bei Flügen und Zügen findest Du mit dem Suchbegriff „passenger assistance“ oft direkt Hilfe. Meist geht dies direkt über die betreffende Fluglinie oder Eisenbahngesellschaft. Manchmal muss aber auch der Bahnhof oder Flughafen direkt angefragt werden. Bleibe höflich und freundlich, denn die Menschen beim Mobilitätsservice sind geschult und wissen, wie sie Dir weiterhelfen können. Auch andere Menschen helfen gerne, wenn man freundlich und offen ist.
Plane aber mehr Zeit ein, mache Dich darauf gefasst, dass auch was schief gehen kann. Ich drücke die Daumen, dass nichts schief geht und klopfe auf Holz. Toi, toi, toi. Wenn nicht, dasnn hoffe ich, dass Dir dieser Beitrag etwas helfen konnte. Machen wir einfach das Beste daraus!
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Fotos: Die Fotos aus Culloden findest Du zur Inspiration auch auf Flickr. Alle Fotos unterliegen meinem Urheberrecht.
Offenlegung: Den Interrailpass und alle Unterkünfte habe ich privat bezahlt. Den Interrailpass habe ich im Black-Friday-Sale gekauft.
Ach herrje, was für eine Odyssee! Gut, dass Du es am Ende nach Hause geschafft hast. Auf die Idee mit dem Mobilitätsservice wäre ich gar nicht gekommen. Gute Besserung Deinem Knie!
Da ich ja aus Island schon irgendwie aus dem Flugzeug raus am Flughafen Hilfe benötigte und da der Service am Kevlavik-Flughafen so großartig war, außerdem auch mobilitätseingeschränke Freunde habe, lag das für mich direkt auf der Hand. Aber ja, weiß nicht jeder und vor allem nicht, wie man es buchen kann. Daher habe ich das versucht, so gut es geht mit einfließen zu lassen. Übrigens sind Flughäfen megagut vorbereitet und vor allem von Kopenhagen sowie Düsseldorf war ich sehr positiv überrascht. Bei den Zügen war ScotsRail am Organisiertesten und ich bin jetzt in UK im System gespeichert. Da läuft das nämlich alles elektronisch und die Dame am Telefon war einfach so hilfreich, dass mir das ganz viel Last von der Seele genommen hat.
Liebe Romy,
was für ein anstrengendes Abenteuer. Was nützt der Mobilitätsservice, wenn er dann meisten nicht kommt, um zu helfen.
In UK sind wir auch mal für ein paar Wochen mit dem Zug durch das Land gefahren. Wir waren in Eastborne, Brighton, Landsend, Edinburgh und Inverness. Unser Bed & Breakfast in Inverness war leicht erhöht mit einem tollen Ausblick. Im Sommer ist es da lange hell.
Ich wünsche dir gute Besserung! Muss selbst auch gleich zur Physiotherapie.
Viele Grüße
Renate
Liebe Renate. Danke für Deinen Kommentar.
Es gab nur ein Missverständnis in Glasgow und das war kein Ding, aber in Brüssel ist mir echt der „Arsch“ auf Grundeis gegangen. Ansonsten lief der Service ja ganz gut. An den Flughäfen von Island zurück ging das natürlich besser. Da kommen einfach mehr Menschen durch und sind dadurch fitter in solchen Belangen. Dennoch: Ohne wäre ich gar nicht nach Hause gkeommen. Ich war für jegliche Hilfe dankbar.
Viel Spaß bei Deiner Physio. Habe meine erstmal abbrechen müssen wegen der akkuter Schmerzen und weil noch nicht abgeklärt ist, ob da mehr passiert ist in Schottland.
Übrigens finde ich Inverness auch ganz schön, was andere nicht so sehen und hell war es wirklich sehr lange. Dafür habe ich aber immer ne Schlafbrille dabei.
Ach du liebe Güte, was für eine Odyssee! Das tut mir sehr leid für dich, dass es so schief gelaufen ist.
Schön, dass es den Mobilitätsservice gibt, aber ich lese daraus, dass das auch nicht richtig verlässlich ist. Hattest du keine Reisekrankenversicherung? Als ich mir damals auf Sizilien den Fuß gebrochen habe, wurde ich von der Reisekrankenversicherung zurückgeholt, die haben das super organisiert, bis vor die heimische Haustür.
Liebe Grüße und alles Gute für das lädierte Knie,
Gina
Liebe Gina,
ich habe sicherlich irgendwelche Krankenversicherungen, auch fürs Ausland – aber das ist das Problem: ich hab das nirgends abgelegt oder Infos dabei. Merke also fürs nächste Mal: besser vorab durchsteigen, wo ich was habe, Telefonnummern ablegen/abspeichern und mehr Infos einfach haben, was geht und was nicht. Vielleicht sollten wir uns noch mal unterhalten, wie das bei Dir funktionierte mit dem Rückholen.
Mobilitätsservice ist extrem hilfreich, aber auch sehr abhängig, wer den anbietet und wie übergibt. Brüssel war wirklich ernüchternd, der Rest lief ja gut bis auf ein kleines Missverständnis in Glasgow. Besser ist es natürlich, wenn man nicht drauf angewiesen ist.
Liebe Romy,
Das hört sich schmerzhaft an…. wie geht es deinem Knie inzwischen?
Ich habe tatsächlich immer die Nummer der Auslandsreiseversicherung dabei. Man weiß ja nie.
Ganz liebe Grüße,
Sanne
Liebe Sanne,
das war es auch. Mittlerweile ist der akute Schmerz abgeklungen – aber das Kreuzband ist immer noch hin. Nächsten Montag habe ich noch mal ein MRT und dann plane ich die OP, die aber wohl erst im September möglich ist. Bis dahin habe ich eine Orthese (schickes Teil zur Stabilisierung und Unterstützung, ich nenne es liebevoll „Der Terminator“) und humple so durch die Gegend. Es wird. Langsam, aber sicher.
Wie auch bei Gina schon geschrieben – es wird echt Zeit, dass ich mich da besser organisiere und die Nummern und Leistungen etc. irgendwo online hinterlege, so dass ich da im Zweifel halt schnell rankomme und weiß, an wen ich mich wenden muss. Nun bin ich schlauer. ;)
Liebe Romy,
um Himmelswillen, was für eine Geschichte, die sich in Teilen wirklich wie ein Krimi liest. Wir können uns nur anschließen und dir die beste aller guten Besserungen wünschen. Da sind Michaels kürzlich in Istanbul gebrochene Rippen (gleich drei an der Zahl…) ja fast ein Klacks dagegen…
Viele Grüße von Gabi und Michael
Danke euch! Wobei ich jetzt drei gebrochene Rippen auch nicht als Klacks ansehen würde. Klingt auch schmerzhaft.
oh nein, was für eine Odyssee! Ich vermute, die Auslands-Krankenversicherung hätte in diesem Fall auch nicht wirklich etwas gebracht, da Leistungen bei Vorerkrankungen i.d.R. ausgeschlossen sind.
Oh, da könntest Du Recht haben.
Hallo Romy
Was für ein spannender und lehrreicher Bericht. Und man sieht einmal mehr, wie wichtig eine Auslandskrankenversicherung ist.
Mike
Gerne. Ich hab eine Krankenversicherung. Aber blöd, wenn man die Daten und Details nicht dabei oder online irgendwo hat. Das ist mein Learning daraus. Aber auch, wie Cornelia schreibt: mit Vorerkrankung hätte mir das auch auf die Füße fallen können. Dann sind ja meist Leistungen ausgeschlossen.
Hi Romy,
das braucht wirklich kein Mensch. Schade, der Rest der Reise wäre sicherlich noch sehr schön geworden.
Diesen Mobilitätsservice haben wir schon öfters in anderen Ländern beobachten können, zum Glück nie selbst gebraucht. Aber gut zu wissen, wie man daran kommt und was die alles machen.
LG Thomas
Ja, hätte mir das auch anders gewünscht und gerne mehr von den Highlands, Glasgow und dann auch Manchester und Liverpool gesehen, die auf der Rückreise eigentlich auf dem Programm standen. Aber bin wirklich froh, dass mir oft Hilfe zuteil wurde und es Menschen gab, die den Rucksack schulterten, mich zum Zug fuhren oder von dort abholten. Das ist nicht selbstverständlich und ich habe mal wieder gemerkt, wie wichtig Gesundheit ist, um unabhängig zu sein.
Danke Dir für den spannenden Artikel. Ich war noch nie in Schottland – das sollte ich ändern ;-) Liebe Grüße Tanja