Studio 54 – allein der Klang des Namens verheißt Faszination pur, ausschweifende Parties und Disco in Reinkultur. Glitzer, Glamour und rauschende Partynächte mit den Promis der 1970er. Vom 26.06. bis zum 17.10.2021 ließ das Dortmunder U, das dem Unionviertel in Dortmund seinen Namen gab, in seiner Sonderausstellung “Studio 54: Night Magic” den legendären Nachtclub wieder auferstehen.
Das Dortmunder U bezeichnete die Ausstellung im 6. Stock des Kellerhochhauses selbst als Erlebnisausstellung – auch einer der Gründe, warum die Ausstellung des Brooklyn Museums nach Dortmund geholt werden konnte. Die ausgewiesene Expertise des Dortmunder Us für interaktive, multimediale Ausstellungen bewog die Kuratoren, die Ausstellung nach New York und Toronto (musste leider ausfallen) in Dortmund stattfinden zu lassen. Der einzige Ausstellungsort in Deutschland lag also im Ruhrgebiet!
Studio 54 – Die Ausstellung
Erlebbar wurde vor allem die Diskomusik, die auf drei Tanzflächen inmitten der Ausstellung zum Mitgroven, Performen oder einfach in alten Zeiten schwelgend animierten. Mit dem Audioguide bewaffnet, konnte ich Dank Bluetooth in der Nähe vieler Ausstellungsausstücke noch weitere spannende Hintergründe erfahren – als ob die Ausstellung nicht schon erlebnisreich genug gewesen wäre! Auch wenn das Studio 54 nur rund drei Jahre existierte (1977 bis 1980 unter den ursprünglichen Besitzern Steve Rubell und Ian Schrager; später verkauften sie den Club, der weiterhin als Studio 54 noch von 1981-1986 existierte), so gab es dennoch viel zu entdecken.
Liebevolle Einzelstücke, wie zum Beispiel die Gästeliste des Eröffnungsabend oder Einladungen und Garderobemarken. Doch erst einmal musste der Besucher sich mit dem New York der 1970er vertraut machen.
New York in den 1970ern
New York war ein Moloch. Mafia, preiswerte Drogen und hohe Arbeitslosigkeit prägten das Bild. Die Stadt befand sich in einer Abwärtsspirale und war meilenweit entfernt von der schillernden Metropole, die wir heute kennen. Viele Menschen verließen aus Angst sogar die Stadt für immer. Weniger Polizisten aufgrund schlechter Haushaltslage, Korruption und eine explodierende Mordrate, die nicht selten farbigen Mitbürgern in die Schuhe geschoben wurden. New York war als “Fear City” bekannt, Touristen wurde vom U-Bahn-Fahren abgeraten sowie nachts/nach 18 Uhr draußen rumzulaufen. So wie es Filme wie French Connection oder Taxi Driver zeigen. Dann zieht auch noch Crack Anfang der 1980er in New York City ein…
Doch preiswerte Drogen und ein ausschweifendes Nachtleben boten einen Moment des Ausbruchs aus dieser Tristesse und Gewalt – da kam das Studio 54 gerade recht als Ablenkung. Disco als Befreiung – nicht nur vom traurigen Alltag, sondern auch als Musikrichtung, die sich aus der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, der Schwulenszene und aus der Hippiebewegung entwickelt hat. Leider in Deutschland oft nur als tanzbarer Pop abgetan. Auch damit räumte die Ausstellung auf. Disco als Alternative zum heterosexuell geprägtem Rock weißer Männer. Hier feierte die LGBTQAI+-Szene – Menschen unterschiedlichster Herrkunft, Stars und No Names, denn “anything goes”.
Einflüsse des Studio 54
Doch die Diskothek, in der nur Diskomusik lief, prägte nicht nur das Nachtleben New Yorks. Nein, es hatte Einfluss auf viele Lebensbereiche einer ganzen Generation. Die Mode war wohl der offensichtlicheste Einfluss, den die Disco-Ära und das Studio 54 hatten. Als Vorbereitung zur Ausstellung lohnte sich übrigens die Netflix-Serie “Halston” mit Ewan McGregor in der Rolle des extrovertierten Modeschöpfer, dessen Mode maßgeblich Teil des Studio 54 war. Seine eleganten Roben gehörten zum Studio 54 und zum New Yorker Nachtleben einfach dazu und Schuhe und Kleidungsstücke waren auch in der Dortmunder Ausstellung zu bewundern.
Mode, Stars & extrovertierte Shows – die Essenz des Studio 54
Doch auch ausgefallene Mode prägte das Nachtleben. Je ausgefallener, desto größer auch die Chance, in den legendären Club eingelassen zu werden. Dazu kam ein weiterer Aspekt, den das Studio 54 lebte, wie kein anderer: Sehen und gesehen werden. Paparazzi gehörten daher genauso zum Bild vor dem Club, wie die zahlreichen Wartenden, die in den legendären Nachtclub wollten, aber meist an der strengen Tür scheiterten.
Von diesem Ruf, exquisit und einzigartig zu sein, lebte das Studio 54 ziemlich gut. Die Promis gaben sich die Klinke in die Hand und heizten so den steigenden Kultstatus – sowohl des Clubs als auch den eigenen – zusätzlich an. Fotografen waren Teil des Geschäfts und wurden bewusst, aber begrenzt eingeladen. Sie zeigten exklusive Einblicke, die für einen Großteil der Bevölkerung nicht erreichbar sind. Schillernden Stars wie Liza Minelli, Diana Ross oder Cher, die rauschende Partynächte feierten.
Als der Club am 26. April 1977 eröffnete, schaffte es einen Tag nach Eröffnung ein Bild von Cher als Gast auf die Titelseite der New York Post – und wer erinnert sich nicht an das Bild von Bianca Jagger, der Ex-Frau von Rolling Stones Sänger Mick Jagger, wie sie für ihre Geburtstagsparty auf einem weißen Schimmel in den Club reitet – Dekadenz und Exzess pur. Auch schillernde Persönlichkeiten wie Sängerin und Disco-Queen Grace Jones befeuerten den Hype mit ihren aufwendigen und extrovertierten Shows auf der Bühne des Clubs.
Bühnentechnik im Studio 54
Denn die Bühne ist ein Hightlight für sich gewesen. Bevor der Club mit der Adresse 254 West 54th Street, zwischen Broadway und 8th Avenue, in Midtown Manhatten zu DEM Nachtclub New Yorks wurde, war es ein Broadway-Theater und wurde vom Fernsehsender CBS als Studio genutzt. Das ehemalige Gallo Opera House, war mit der entsprechenden Bühnentechnik ausgestattet, als Steve Rubell und sein Partner Ian Schrager es als Platz für ihren Nachtclub auswählten und diese wohlweislich beibehielten.
Auch die leistungsstarke Klimaanlage, die CBS einbaute, wurde show-wirksam eingesetzt. Denn frisch anmutende Tänzer:innen sehen auch auf den Fotos für die Außenwelt einfach fabelhaft aus. Viel besser als verschwitzte, mit verlaufenem Make-up. “Fabulous” war auch die Aussage, wie die Gäste sein sollten.
Eigentlich sollte die Disko, die nach dem Vorbild der ersten Großraumdisko Deutschlands, dem Münchener Blow up (1967-1972), entstand, einfach nur “Studio” heißen. Doch CBS, die vorher hier unter anderem The Johnny Carson Show drehten, nannten es bereits “Studio 52”, weil sie hier das 52. Studio eingerichtet hatten. In Anlehnung daran und mit Bezug auf die Adresse des Clubs entschieden sich die Besitzer daher für Studio 54. Seit 1998 ist die Location auch wieder als Musical-Theater im Einsatz, u.a. für Sam Mendes’ Cabaret-Neuinszenierung.
Kunst- & Musikeinflüsse
Auch Musik entstand aufgrund des Studio 54s. Le Freak der Band Chic um Gitarrist und Produzent Nile Rodgers entstand, weil er sioie Bernard Edwards angeblich am Silvesterabend 1977 vom Türsteher mit den Worten “Fuck off” abgewiesen wurde – trotz Einladung von Grace Jones, die angeblich vergaß, den entsprechenden Mitarbeiter zu informieren. Daraus sollte noch in der gleichen Nacht ein Jam enstehen, mit zuerst “Freak off” im Refrain und schließlich “Freak out!”, weil das fürs Radio tauglicher war und besser klang – und dem Studio 54 ein musikalisches Denkmal setzte.
Dieser Song durfte daher im Dortmunder U auch nicht fehlen. Solche Geschichten trugen und tragen auch weiterhin zum Mythos der endlosen Schlangen am Club und die willkürlichen Einlassregeln von unfreundlichen Türsteher bei. Immerhin wurde es ein kommerzieller Erfolg für die Band sowie ein Billboard 100 Nummer 1-Hit.
Kunst & DJ-Kultur
Einen weiteren Einfluss hatte das Studio auch auf die Kunst an sich. Fotos aus dem Studio 54 wurden von Künstlern wie Andy Warhol und seiner Factory weiterverarbeitet und trugen den Kult nach außen.
Dazu wurden DJs zum wichtigen Teil des Studio 54s. Richie Kaczor war der erste DJ im Studio 54 und ihm wird auch der Erfolg von Gloria Gaynors I Will Survive zugeschrieben. Als der Song 1978 erschien, war er nur eine B-Seite, also nicht die eigentliche Single. Doch Richie Kaczor spielte lieber die B-Seite im Club und machte den Song so populär, dass Gloria 1980 einen Grammy dafür als Bester Disco-Song mit nach Hause nehmen konnte. Ein Grammy, der das erste und sogleich letztes Mal vergeben wurde. Seine Original-Tapes stellten die auch die Grundlage der Musik in der Ausstellung dar. Doch leider wollten die nicht mit den modernen Technik harmonieren.
Eine Playlist zum Sound des Studio 54s stellt Kurator Matthew Yokobosky auf Spotify zur Verfügung:
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Mehr InformationenAuch in Film und Fernsehen zog der Club als Teil der Popkultur ein. Gezeigt wurde dazu eine Szene eines Films, in der Frank Sinatra das Studio 54 betritt. Dies war gar nicht so abwegig. “The Voice” war zumindest Gast der Eröffnung des Clubs, in dem sich Celebreties quasi die Klinke in die Hand gaben.
Ob es nun die Designer:innen der Stunde wie Calvin Klein, Diane von Fürstenberg, Valentino oder Karl Lagerfeld waren oder die bildungsbürgerliche Elite um Truman Capote sowie die berühmtesten Musiker:innen aus der ernsthaften und populären Musik wie David Bowie, Leonard Bernstein oder Vladimir Horowitz – jeder fand hier seine kleine Flucht aus dem Alltag. Manchmal angereichert mit einer großen Prise Glitter, mal einfach nur mit den gängigsten Drogen. Das alles war das Studio 54 – etwas was es so nie wieder danach gab.
Was machte das Studio 54 so einzigartig & legendär?
Natürlich gibt es heute noch zahlreiche Diskotheken weltweit. DJs sind heute eigenständige Berühmtheiten, die die Clubkultur leben und zelebrieren. Drogen gibt es sicherlich auch noch zur Genüge – doch kein Club hat es jemals wieder geschafft, so viel Prominenz, Mysterium, Glitzer, Pomp und Prunk sowie Freiheit zusammenzubringen. So geballt, so auf den Punkt, mit so viel Einfluss.
Das konnte nur das Studio 54 in den 33 kurzen Monaten, bevor Steve und Ian zu sehr mit ihrem Erfolg protzten und mit der Aussage “wir machen fast so viel Geld wie die Mafia” die Steuerbehörden auf den Plan riefen – und wegen Steuerhinterziehung 13 Monate hinter Gittern landeten. Natürlich nicht, ohne vorher eine letzte, ausschweifende Party zu feiern. So verabscheiden sich nur Legenden.
Einen kleinen Einblick in diese Zeit ermöglichte Matthew Yokobosky, Kurator des Brooklyn Museums, gemeinsam mit dem Dortmunder U und es ist schade, dass diese Ausstellung nicht länger bleibt, um diese Zeit hochleben zu lassen. Wir haben etwas Glitter und Glamour nötig, vor allem jetzt auch im anstehenden Herbst und Winter.
Weitere Informationen
Wo?
Dortmunder U | Zentrum für Kunst und Kreativität
Ebene 6
Leonie-Reygers-Terrasse
44137 Dortmund
Wann?
Die Ausstellung lief vom 26. Juni bis zum 17. Oktober 2021.
Wieviel?
- Normalticket: 18,90 Euro
- ermäßigt/Feierabendticket: 11,90 Euro
- Gruppenticket ab 5 Perosnen: 15 Euro/Person
Was?
Erlebnisausstellung rund um den legendären Nachtclub aus New York mit vielfältigem Begleitprogramm rund um Klubkultur mit rund 500 Objekten
Wer?
- organisiert vom Brooklyn Museum New York
- kuratiert von Matthew Yokobosky (Senior Curator of Fashion and Material Culture, Brooklyn Museum)
Buchtipp*
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Offenlegung: Zum Presserundgang am 24.06.2021 wurde ich eingeladen. Meine Meinung blieb davon unbeeindruckt.
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