Zuletzt aktualisiert: 30.12.2022
Ein Roadtrip durch Kanada ohne einen Nationalpark zu besuchen, ist kein Roadtrip. Entdecke die Tierwelt des Riding Mountain National Parks in Manitoba.
Ohne einen Halt in einem Nationalpark ist ein Roadtrip in Kanada irgendwie kein Roadtrip. Nach einigen Tagen am Falcon Lake im Whiteshell Provincial Park sowie in Manitobas Provinzhauptstadt Winnipeg war der Riding Mountain National Park der letzte Stop auf meinem Roadtrip durch den Süden der Prärieprovinz. „Wild Life“ stand in South Manitoba auf dem Programm.
Der Riding Mountain National Park ist eines der bestgehüteten Geheimnisse Manitobas, wenn nicht sogar Kanadas. Nur rund 300.000 Besucher kommen jährlich in den Nationalpark (Zum Vergleich: nach Banff kommen jährlich inzwischen um die 4 Millionen Besucher). Hier sagen sich Bison und Wolf noch gute Nacht. Die unberührte Natur des National Parks ist ein idealer Lebensraum für Bären und viele andere Wildtiere.
Riding Mountain National Park
Der pistolenförmig anmutende Nationalpark mit Lauf gen Westen liegt nicht auf der typischen Route Richtung Rocky Mountains. Man muss den Umweg wollen, meint Pat Rousseau, der am Osttor aus den 1930er/40er Jahren auf uns wartete. Nach bummelig drei Stunden Fahrt hatten wir den Nationalpark von Winnipeg aus erreicht.
Über eine Schotterstraße ging es die letzten Kilometer stur gerade aus und den Hügel („Mountain“ = Berg wäre wirklich zu viel des Guten) hinauf bis zum historischen Eingangstor des Nationalparks.
Der sich im Ruhestand befindlicher Biologe und ehemaliger Ranger mit beeindruckendem Schnauzer begrüsste uns mit seiner kratzig-rauen Stimme. Schnell wurde im Gespräch klar, er kennt sich im Nationalpark so gut aus wie kein anderer.
Das ist gar nicht so einfach, wie ich bei dem Blick auf die Karte feststellte. Denn der Riding Mountain National Park erstreckt sich auf rund 3.000 Quadratkilometer und wurde 1933 als erster und lange einziger Nationalpark Manitobas gegründet.
First Nations – das dunkle Kapitel
Aber die Gründung war bei weitem nicht unumstritten. Was damals unterschlagen wurde: auf dem Gelände lebten noch First Nations vom Stamm Keeseekoowenin Ojibway, die 1936 vertrieben wurden und 1939 beim Abbrennen ihrer Häuser zusehen mussten. Heute leben viele der Nachfahren in insgesamt drei Reservaten, u.a. dem Clear Lake Reservat Nahe Wasagaming. Der Umgang mit First Nations ist ein sehr dunkles Kapitel der kanadischen Geschichte, welches auch im Canadian Museum for Human Rights (CMHR) in Winnipeg berücksichtigt wird.
Die First Nations sind auch die einzigen, die eine Ausnahmegenehmigung haben, im Riding Mountain National Park für ihren Lebensunterhalt zu jagen oder Beeren, Pflanzen oder Pilze für spirituelle Zwecke zu sammeln.
Die Tierwelt im Riding Mountain National Park
Die „Insel der Wildnis im Ozean von Ackerland“, wie der Nationalpark genannt auch bezeichnet wird, unterscheidet sich stark von der Prärielandschaft, die Manitoba sonst prägt. Er rahmt die Tierwelt der Gegend ein.
Im Laubwald, bestehend aus Eichen, Eschen und Ahornbäumen, fühlen sich Schwarzbären zu Hause, im borealen Nadelwaldgebiet fühlt sich hingegen der Timberwolf sehr wohl, der sich zum Großteil von Hirschen und Elchen der Gegend ernährt. Dazwischen lebt eine der letzten großen Populationen der Amerikanischen Bisons (Büffel, Waldbisons), die sich auch im verbliebenen Grasland des Parks wohlfühlen.
Wölfe
Aktuell leben im Riding Mountain National Park etwa 60-90 Wölfe. Das größte Rudel besteht dabei aus elf Wölfen, die meist in der Nähe von Waipitiherden anzutreffen sind. Die Waipitiherde wird auf natürliche und auch gesündere Weise durch die Wölfe reguliert. Besser als Menschen das je könnten.
Besser gesagt: es finden sich die Spuren ihrer Jagd und die Überreste der Waipitis. Die scheuen Tiere bekommen selbst Wissenschaftler, die die Wölfe erforschen, so gut wie nie zu Gesicht.
Aber auch kleineren Tieren kannst Du auf den über 400 km umfassenden Wanderwegen/Hiking Trails durch den Nationalpark begegnen. Meist sind diese scheuer als Du, also keine Angst vor den Wieseln, Stinktieren, Hirschen, Krähen und Raben. Aber auch Coyoten, Luchse und einige Berglöwen (Pumas) sind hier unterwegs. Alles ganz harmonisch, wie mir Patrick im Besucherzentrum erklärt, denn mit der sehr speziellen Diät von Weißwedelhirschen kommt der Puma den Wölfen essenstechnisch nicht ins Gehege.
Erschrocken habe ich mich ein wenig über die Anzahl der Schwarzbären. Auf den 3.000 Quadratkilometern Nationalpark leben etwa 1.000 der Bären. Sie sind quasi immer um einen herum und außer im Winter, wenn sie Winterschlaf halten, ist die Chance auf eine Sichtung groß. Mir ist es dennoch in den Tagen in Wasagaming und im National Park nicht vergönnt, mehr als einen Bären zu sehen. Übrigens sind die knuffigen Bären keine Vegetarier. Wenn es sich ergibt, fressen und verfüttern auch sie durchaus auch den Nachwuchs der Wapitihirsche.
Bisons
Mit den Bisons hatte ich viel mehr Glück. Pat nahm uns vor dem Frühstück mit durch den Park zum Lake Audy Bison Enclosure. Es war diesig, leichter Regen fiel und plötzlich stand die Herde von etwa 30 Tieren vor und neben uns.
Am Straßenrand lagen 4-5 Monate alte Kälbchen im Gras. Die bewachenden Tiere schauten uns mit Argusaugen an. Wir halten, dürfen aber aus Sicherheitsgründen nicht den Wagen verlassen. Denn die Tiere sehen zwar friedliebend und behäbig aus.
Doch wenn es um die Nachkommen geht, sind sie ausgesprochen schnell. Dabei haben sie das Gewicht eines Kleinwagens. Damit wollte keiner von uns kollidieren.
Langsam entwickelte sich die Szenerie zu einem Starrwettbewerb. Wer kann am Längsten den Blicken des Anderen standhalten? Zurücksetzen konnten wir nicht, einige der Tiere sind bereits an uns vorbei gezogen und stellen so auch hinter uns eine Gefahr dar. Vor uns warteten die Bisons nur darauf, dass wir zucken, um wie bei einem Duell zur Mittagszeit zuzuschlagen. Nur langsam zogen sie sich zurück und wir konnten unseren Weg durch den Nationalpark fortsetzen.
Wasagaming & Clear Lake – der südliche Eingang zum Nationalpark
Nach diesem aufregenden Morgen war ich ganz froh, in das kleine Örtchen Wasagaming südlich des Riding Mountain National Parks zurückzukehren. Er ist der touristische Anlaufpunkt der Gegend und liegt idyllisch am Ufer des Clear Lakes, dem größten der rund 1.900 Seen im Park. Die Saison war im September schon fast vorbei, dennoch traf ich noch einige Menschen am Strand und in den Straßen an. Manche waren noch mit Kanus und Kajaks auf dem See unterwegs, andere genossen die letzten Sonnenstrahlen am Ufer.
Zu bestimmten Zeit wird es im „Foxtail Café“, im „Wigwam Restaurant“ oder auch im „TR Mckoys“ voll. Ob das Kino noch offen hat, habe ich nicht rausgefunden, doch im Buchladen mit kleinem Souvenirladen und Café „Poor Michael’s“ ist auch fast kein Platz zu bekommen.
Kaum zu glauben, wie viele Menschen noch in dem kleinen Ort sind, auch wenn viele ihre Blockhütten schon winterfest gemacht und zurück nach Winnipeg oder Brandon gefahren sind. Es herrscht ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Man kennt sich. Viele Familien kommen über Jahre immer wieder zurück zum Clear Lake.
Einige Familien sind stark mit dem Ort verbunden und bleiben das ganze Jahr. Im Beachcomber Laundromat hinter dem Lakehouse Boutique Hotel, in dem wir übernachten, treffe ich auf Joe. Er ist der „Maintenance Guy“, der sich um die Waschmaschinen und Trockner kümmert. Wir kommen ins Gespräch, als er merkt, dass ich Deutsche bin.
Seine Enkelin sei gerade als Austauschstudentin für neun Monate in Bamberg, berichtet er mir voller Stolz. Seine Tochter hingegen hat den „Seagulls & Sand Clothes“-Shop im Ort und er war eigentlich mal der Besitzer der Wäscherei. Doch nun hat er sich quasi zur Ruhe gesetzt, den Laden an die Besitzer des angrenzenden „Beachcomber Clothing“-Shop verkauft und schaut nur noch ab und zu nach dem Rechten. So ganz kann er das Arbeiten nicht lassen.
Spuren lesen im Nationalpark
Auch Celes ist eng mit dem Riding Mountain National Park verbunden. Der Fährtenleser und Guide iranischer Abstammung ist seit etwa 35 Jahren in der Gegend. Gemeinsam gehen wir den einen Abend durch den Wald, auf der Suche nach Hirschen.
Dabei üben wir, wie die Hirsche zu röhren, dann setzt das GPS von Celes aus und wir verlaufen uns fast in der Dämmerung auf unserem Weg durchs Unterholz. Während der Himmel sich dramatisch hinter den Bäumen verfärbt, finden wir doch langsam unseren Weg.
Schließlich verbringen wir am Whirlpool Lake den Abend mit einem Dinner und Gitarrenmusik von Jessie im Dunkeln. Ihn sehe ich zwei Monate später mit seiner Band in Dortmund wieder, als er in der Hafenschänke Subrosa mit seinen Bandkollegen die Bühne rockt und ich mich wieder zurück in die unendliche Dunkelheit des Riding Mountain National Parks zurückversetzt fühle.
Doch irgendwann musste es zurück nach Winnipeg und somit in den Flieger nach Deutschland gehen. Ein Abschlussmittagessen nahm ich im „Nine“ des Clear Lake Golf Course ein, bei dem das Titelbild dieses Beitrages mit den typischen Deck Chairs entstand.
Weitere Informationen
Karte zum Roadtrip und dem Wild Life im Riding Mountain National Park:
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Mehr InformationenAllgemeine Informationen zum Roadtrip
Der Riding Mountain National Park liegt im Westen von Manitoba, nördlich von Brandon und westlich von Lake Manitoba. Von Winnipeg kommend erreichst Du den Nationalpark am Besten über den Trans-Canada-Highway (Highway 1) und Highway 16 (der u.a. nach Edmonton und Jasper führt), von dem verschiedene Abzweigungen (z.B. via Highway 10) zum Osttor bzw. Wasagaming führen. Von Downtown Winnipeg bis zum Nationalpark sind es ca. 250-275 km. Dafür solltest Du ca. 3,5 Stunden Fahrtzeit einplanen.
Weitere Informationen zum Riding Mountain National Park
Im Nationalpark kannst Du natürlich auch gut wandern. Beliebte Routen findest Du bei AllTrails.
- Größe: 2973 km²
- 1929 Riding Mountain Waldreservat als Schutzgebiet anerkannt
- 1933 Nationalpark gegründet
- 1986 als Biosphärenreservat der UNESCO vorgeschlagen und anerkannt
- beobachtbare Tierarten: Elche, Wölfe, Schwarzbären, Wapitihirsche, Bisons sowie eine große Zahl weiterer Tierarten
- einzigen Geschäfte auf Parkgelände befinden sich in Wasagaming sowie das Besucherzentrum
- 6 Campingplätze
Manitoba ist übrigens laut Lonely Planet eine „Best in Travel 2019“-Region (#8) und Du solltest Dir das Fleckchen Erde nicht entgehen lassen! *
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Die Neuauflage* (2022):
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Fotos: Die Fotos unterliegen meinem Urheberrecht und dürfen nicht ohne mein Einverständnis verwendet werden. Diese und weitere Fotos aus Manitoba findest Du auf meinem Flickr-Account. Nutzungsrechte sind möglich.
Offenlegung: Der Roadtrip fand im Rahmen einer Pressereise von Destination Kanada, Travel Manitoba und Tourism Winnipeg 2016 statt, zu der ich eingeladen wurde. Wer mich kennt, weiß wie sehr ich Kanada liebe und mir dazu meine Meinung nicht bezahlen oder beeinflussen lasse.
Hallo Romy,
wenn Du so von Kanada berichtest und schwärmst, kriege ich irgendwann doch mal Lust und fahre hin! So viel Natur ist schon beeindruckend, und halt deutlich größer als hier! Auch der See sieht schön aus. Und die Bisons stelle ich mir ganz besonders vor!
Liebe Grüße
Barbara
Die Bisons waren wirklich was Besonderes. Sie kamen vor allem auch so aus dem Nichts. Wir fuhren um eine Kurve und plötzlich waren wir mitten in der Herde.
Und ja: Du musst unbedingt nach Kanada! Wie man nur ohne einen Besuch des Landes leben kann… ;)
Danke Dir für Deinen Kommentar!
LG, Romy