Bremerhaven fällt einem nicht unbedingt als erstes Urlaubsziel ein, stimmt’s? Sie besitzt zwar keine mittelalterliche Altstadt wie Bamberg, dennoch hat die Stadt an der Wesermündung viel zu bieten.
Bremerhaven existiert erst seit 1827, als Bremens Bürgermeister Johann Smidt vom König von Hannover ein Stück Land zwischen den Flüssen Weser und Geeste kaufte, um darauf einen Hafen bauen zu lassen.
Aber mit der Entwicklung des Hafens wurde Bremerhaven schnell zum größten Auswandererhafen Europas. Das Deutsche Auswandererhaus greift dieses Thema als Mitmachmuseum auf.
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Der erste Teil des Museums wurde 2005 eröffnet und befasst sich fast ausschließlich mit der Auswanderung in die “schöne neue Welt”. 2012 kam der Erweiterungsbau hinzu, der sich als einziges Museum in Deutschland auch mit der Migration beschäftigt. Das Museum habe ich mir Ende Oktober 2016 angesehen. Komm, wir wandern aus!

Auswandern im Deutschen Auswandererhaus
Zu Beginn bekam ich meinen Boarding Pass mit zwei Persönlichkeiten überreicht, die mich durch das Auswandern bzw. Einwandern begleiten sollten. Gemeinsam starteten wir zuerst das Abenteuer Auswandern. Ein Ticket bekommst Du bequem online*.
Ich begab mich auf eine kleine Zeitreise zurück ins Jahr 1888 und wurde selbst zu einer Auswanderin. Nebenbei begleitete ich Hannah Levinsky-Koevary, die 1949 von Bremerhaven auswanderte und versuchte, ihre Spuren mittels RFID-Ticket (iCard) im Auswandererhaus nachzuvollziehen.



Der Wartesaal des Deutschen Loyds
Zuerst gelangte ich in einen Wartesaal der 3. Klasse des Deutschen Loyd. Zu jeder Jahreszeit mussten hier hunderte Menschen ausharren, bevor sie ein Schiff besteigen konnten, um in die neue Heimat zu gelangen.
“Hoffnung kann man nicht anfassen, man muss sie fühlen“, lautet hier das Motto des Auswandererhauses – und ich fühlte die Hoffnung, die die Menschen hegten. Anders hätten sie diese Torturen nicht auf sich genommen.

Zwischen 1821 und 1914 wanderten 44 Millionen (!) Europäer:innen nach Übersee aus – eine der größten Wanderungsbewegungen in der Geschichte. Bis 1890 verließen dabei vor allem Brit:innen, Ir:innen und Deutsche Europa, um in Nord- und Südamerika sowie Australien ihr Glück zu finden.
Im Anschluss, bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs (1914), wanderten vorwiegend Italiener:innen, Russ:innen, Pol:innen, Slowak:innen, Tschech:innen und Serb:innen aus. Die häufigsten Gründe waren dabei, dass es kein Land, keine Arbeit und keine Rechte für sie in ihrer bisherigen Heimat gab.
An der Kaje
Im Anschluss gelangte ich “An der Kaje” und sah den schwankenden Ozeanriesen, mit dem ich als Auswanderer das für mich unendlich erscheinende Meer, den Atlantik, überqueren und im fernen New York landen soll. Hier wird die pure Not und die Verzweiflung deutlich, die viele Menschen gespürt haben müssen, als sie sich zur Auswanderung entschlossen haben.
Denn oft war es einfach die Aussicht auf ein besseres Leben im gelobten Land, dass Menschen zum Auswandern bewog. Dabei hatten sie oft nur wenig Hab und Gut bei sich und ließen oft ihre Familien zurück.

Die Galerie der 7 Millionen
In wunderschönen Holzarchivschränken befinden sich in der “Galerie der 7 Millionen” über 3.000 Familiengeschichten, der insgesamt über sieben Millionen via Bremen und Bremerhaven ausgewanderten Menschen.

Hier tauchte ich tiefer in die persönliche Auswanderergeschichte von Hannah ein. Aber auch viele andere Geschichten sind hier mit dem Ticket abrufbar.

Auch historische Hintergründe der Auswanderung konnte ich hier nachvollziehen. Für mich ist damit “die Galerie der 7 Millionen” einer der spannendsten Räume des Hauses. Zum Beispiel erfuhr ich, dass sich zwischen 1933 und 1940 264.000 Menschen jüdischen Glaubens oder durch die Nürnberger Rassengesetze (1935) zu Juden erklärte Menschen auf die Flucht begaben. Ab 1941 wurde den Juden die Auswanderung verboten, viele Länder verschärften die Einwanderung und schlossen Grenzen.

Die USA hatten z.B. eine Quote von 20.000 Einwanderer pro Jahr, die aus Deutschland kommen durften. Meist wurde diese Quote aber gar nicht erreicht, weil das Ausstellen der Papiere Jahre dauerte. Außerdem waren oft zusätzlich Bürg:innen notwendig.
Menschen wie Karl Lämmle, der 1883 aus Deutschland auswanderte. Der Sohn eines jüdischen Viehhändlers aus Laupheim in Oberschwaben wurde u.a. als Gründer von Universal Pictures zu einem der einflussreichsten Produzenten Hollywoods. Über 300 jüdische Familien konnte er so retten. Leider starb er 1939.
Erinnert doch sehr stark an heute und die dazugehörigen Diskussionen – Obergrenzen für Flüchtlinge, Quoten, geschlossene Grenzen. Das stimmt mich sehr traurig.
Überfahrt und Ankunft in der neuen Welt
Dann bestieg ich das Schiff, welches ich schon von der Kaje aus beobachten konnte. Ich wurde eingeschifft, es schaukelte leicht und ich schaute mir an, wo die Koffer gelagert wurden und wie die verschiedenen Klassen schliefen. In der dritten Klasse, mit der wohl die meisten Menschen gefahren sind, fühlte ich mich beim Anblick der Pritschen sehr beengt.


Bald sollte ich aber schon in New York ankommen. Doch das große Land der Freiheit ist immer noch weit entfernt. Zwischen mir und dem Einwandern in die USA stand noch eine harte Prozedur auf Ellis Island.
30 Fragen entschieden 1907 darüber, ob jemand einwandern durfte oder nicht. Dabei standen nur fünf Sekunden pro Frage für die Beantwortung zur Verfügung. Letztendlich durfte ich weiter und sah meine neue Heimat – New York City – zum ersten Mal.

Weiterreise
Meine Weiterreise erlebte ich im Grand Central Terminal. Hier erfuhr ich in liebevoll dekorierten Fahrkartenschaltern zum letzten Mal, wie es Hannah und den anderen Biographien in ihrer neuen Heimat erging. Manche sahen niemals ihre Familien wieder. Einige fanden das große Glück, anderen blieben weitere Schicksalsschläge im Leben nicht erspart.


Einwandern im Deutschen Auswandererhaus
Auch die Geschichte der Einwanderung nach Deutschland wird im Auswandererhaus thematisiert. Von hier an begleitete mich Elza Schüler-Neirynck, die durch Deportation 1942 von Belgien nach Deutschland kam.
Das Auswandererhaus versetzte mich dabei zurück ins West-Deutschland von 1973. In einer Ladenpassage fand ich verschiedene Geschäfte – von einem Fotoladen bis hin zu einem Friseur. Das Land hatte sich seit dem 2. Weltkrieg stark verändert. Das Wirtschaftswunder benötigte Gastarbeiter:innen, die nun ihre Familien aus den Heimatländern zu sich holten.


Doch schon vorher gab es diverse Einwanderungswellen. Über 300 Jahre Geschichte konnte ich hier entdecken – von Hugenotten über die Ruhrpol:innen bis tagesaktuell zu den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen.
Warum solltest Du das Deutsche Auswandererhaus besuchen
Über 12 Millionen Deutsche sind seit 1683 ausgewandert und mindestens 53 Millionen Menschen immigrierten seit 1685 für immer oder für kurze Zeit. Zwei der Einzelschicksale konnte ich authentisch nachverfolgen und tauchte so tief in die Auswanderung sowie Einwanderung hinab. Gerne wäre ich noch länger geblieben, so viel gab es hier zu entdecken.
Auch eine eigene Familienrecherche war mir möglich. Dazu konnte ich Einblick in die Passagierdaten der Auswanderer nehmen, die zwischen 1920 und 1939 über Bremen und Bremerhaven Deutschland verließen. Außerdem standen Daten von ancestry zur Verfügung, um den eigenen Stammbaum zu erkunden. Ein spannendes Museum also, welches jederzeit einen Besuch wert ist!
Deutsches Auswandererhaus
27568 Bremerhaven
Website
Öffnungszeiten
Montag-Sonntag: 10-18 Uhr
24.12. geschlossen
31.12. bis 16 Uhr
letzter Einlass jeweils eine Stunde vor Ende
Preise
Erwachsene: 20 Euro
ermäßigt: 17 Euro
Kinder (5-16 Jahre): 10 Euro
kleine Familienkarte (1 Erwachsene:r mit eigenen Kindern 5-16 Jahre): 35 Euro
große Familienkarte (2 Erwachsene mit eigenen Kindern 5-16 Jahre): 55 Euro
Fotoschutzgebühr: 1,50 Euro
es gibt bis 31.12.2025 einen vergünstigten Nachmittagstarif (siehe Website), außerdem Angebote für Gruppen sowie öffentliche Führungen
Das Museum ist barrierefrei.
Die Familienrecherche ist innerhalb der Öffnungszeiten des Museums möglich.
Stand: Juli 2025
Lesetipps
- Lebendige Geschichte im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven – Breitengrad 66
- Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven – Deutschlandjäger
- Warum ich im Auswandererhaus Bremerhaven plötzlich seekrank wurde – Fernweh und so
- Eine Reise in die neue Welt: das Auswandererhaus in Bremerhaven – Monika Fritsch
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Übernachten
Falls Du ein Hotel oder Unterkunft für Bremerhaven benötigst, so wirst Du sicherlich hier fündig*. Ich selbst habe einige schöne Nächte im-jaich Hotel Bremerhaven verbracht.
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Weitere InformationenFotos: Diese und weitere Fotos findest Du auch auf Flickr. Sie unterliegen meinem Urheberrecht.
Offenlegung: Zum Museumsbesuch wurde ich von der Erlebnis Bremerhaven GmbH und vom Deutschen Auswandererhaus eingeladen. Meine Meinung blieb davon unbeeindruckt.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 23. Januar 2017 und wurde zuletzt am 29. Juli 2025 aktualisiert.
Toller Bericht! Macht Lust das Museum selbst zu besuchen und mir die offensichtlich ganz vielen liebevollen Details anzusehen
Danke Simone! Ja, es lohnt sich und man kann den ganzen Tag dort verbringen.
Super Artikel und tolle Fotos! Da bekomme ich gleich wieder Lust, selbst erneut nach Bremerhaven zu fahren…
Danke auch für die Verlinkung!
Liebe Grüße
Thomas
Danke fürs Kommentieren und das Kompliment! Ich bekam auch beim Schreiben direkt wieder Lust. Und Link ist doch Ehrensache. Auf bald!
Schön geschrieben. Ich fand es auch sehr interessant und toll gemacht.