Caspar David Friedrich gilt heute als Innbegriff der Romantik. Der Greifswalder Maler war aber jedoch nicht immer so beliebt. Harte Konkurrenz kam von den Düsseldorfer Romantikern. Bis zum 07.02.2021 24. Mai 2021 stellte der Kunstpalast Düsseldorf Friedrich und seine Dresdener Kollegen den Düsseldorfern in einer bisher einzigartigen Ausstellung gegenüber.
- Historische Einordnung
- Warum eine Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Düsseldorf
- Konzept der Ausstellung
- Die 8 Kapitel der Ausstellung
- I – Atelierszenen
- II – Stille Schau auf die Landschaft und Andacht in der Natur
- III – Das sakrale Naturbild – Vergänglichkeit und Tod
- IV -Von der Naturstudie zum komponierten Bild
- V – Vom Meer als Grenzerfahrung
- VI – Die Entdeckung der heimatlichen Landschaft
- VII – Mittelalter-Romantik – Lebenswege und Pilgerreisen
- VIII – „Hymne an die Nacht“ – Mondscheinlandschaften
- Warum Du die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung besuchen solltest
- Weitere Informationen
Seit der 10. Klasse, da muss ich so 15 oder 16 gewesen sein, ziehen mich die Bilder von Caspar David Friedrich in ihren Bann. Mystisch, geheimnisvoll, im wahrsten Sinne romantisch im heutigen Sinne. Doch in der Ausstellung des Kunstpalasts in Düsseldorf „Caspar David Friedrich & die Düsseldorfer Romantiker“ muss ich erkennen, dass dem nicht immer so war.
Historische Einordnung
In der Zwischenzweit war Caspar David Friedrich sogar weitestgehend vergessen. Denn schon zu Lebzeiten sank seine Bedeutung. Sein Stil wurde abgewertet und nach seinem Tod 1840 geriet sein Werk in Vergessenheit. Auch geschuldet seinen Düsseldorfer Malerkollegen, die populärer und zu den eigentlichen Romantikern wurden. Im Laufe der Zeit wandelte sich zudem der Blick auf die Kunst. Doch erst einmal musste Friedrich wiederentdeckt werden.
Als der norwegische Kunsthistoriker Andreas Aubert für seine Dissertation über seinen Landsmann, den Maler Johan Christian Clausen Dahl, Nachforschungen anstellte, holte er nach über 50 Jahren auch Caspar David Friedrich wieder aus der Vergessenheit. Dahl und Friedrich verbrachten lange Zeit gemeinsam in Dresden, wohnten sogar im gleichen Haus und waren eng befreundet. Nach seiner hochangesehenen Dissertation 1896 über Dahl, forschte Aubert dann auch über Friedrich. Eine Biografie über den Greifswalder Maler, in der seine Kunst als Verkörperung des nordisch-romantischen Naturgefühls beschrieb, blieb aber nur ein Fragment. Es wurde 1915 erstmalig auf Deutsch veröffentlicht. Auch anderen Malern der Romantik widmete sich Aubert, u.a. Philipp Otto Runge.
Friedrich war „einer der ersten unbefangenen und profunden Naturbeobachter der deutschen Kunst zu Beginn dieses Jahrhunderts“
Andreas Aubert, 1889
Erst 1906 anlässlich der Jahrhundertausstellung deutscher Kunst in der Berliner Nationalgalerie wurde Caspar David Friedrich wieder zurück ins Bewusstsein geholt. Doch wenige Jahre zuvor wusste die Nationalgalerie nicht einmal, dass es Friedrich überhaupt gibt und bereits zwei Schätze in ihrem Depot schlummerten. Erst ältere Mitarbeiter in der Dresdener Gemäldegalerie erinnerten sich im Gespräch mit Aubert an den Künstler, der „vor vierzig Jahren“ mal in einer Ausstellung hing. In der Jahrhundertausstellung konnten dann bereits 32 Werke gezeigt werden. Auch andere romantische Maler wurden neu gewürdigt – und Friedrich konnte den Weg zu seiner Vormachtsstellung als der romantische Maler schlechthin antreten.
Warum eine Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Düsseldorf
Als der Frühromantiker Caspar David Friedrich ab 1820 langsam an Popularität verlor, lag das nicht unwesentlich an der aufstrebenden Düsseldorfer Malerschule. Die Dresdner und die Düsseldorfer Schule lebten von den Gegensätzen zueinander. Kritik sowie Polemik bestimmte das Verhältnis, aber auch Anerkennung und Wesensverwandschaft sind nicht von der Hand zu weisen.
Doch zwischen beiden herrschte ein reger Austausch. So stellte Friedrich zeitgleich mit Wilhelm Schadow, dem Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, sowie einer frühen Generation der Düsseldorfer Schule ab 1826 in verschiedenen landesweiten Ausstellungen aus. Die Künstler in Düsseldorf sowie Dresden bezogen sich auf seine Werke, doch die Düsseldorfer malten verstärkt wesentlich größere Formate mit zunehmender Dramatik und Pathos und das mit technisch raffinierten Mitteln. So gewann ihre Malerei stetig an Einfluss, so dass schließlich Düsseldorfer Maler als Professoren nach Dresden berufen wurden.
Der kurzer Aufstieg & lange Fall des Caspar David Friedrich
Der Aufstieg von Caspar David Friedrich erfolgte schnell, doch sein Fall noch viel schneller und kontinuierlich. Johann Wolfgang von Goethe förderte ihn anfangs, übte schon bald darauf harsche Kritik an Friedrichs Verständnis von Romantik. Dabei gab es zwei verschiedene Stilrichtungen, die heute als gegensätzlich wahrgenommen wird, zu Lebzeiten der Künstler aber als „romantisch“ bezeichnet wurden. Nach frühen Erfolgen Friedrichs, setzte sich die nazarenische Geschichtsmalerei der Düsseldorfer und Münchenener Malerschulen (Peter Cornelius, Wilhelm Schadow) gegen die Dresdener Landschaftsmalerei in der Gesellschaft durch. Runge und Friedrich wurden als extreme Außenseiter dazu eingestuft.
Spätestens 1807 war Caspar David Friedrich in der Kunstszene bekannt – Dank des Tetschener Altars. Doch schon damals polarisierte er mit seinen Bildern, die eher einen frühromantischen Ausdruck des Göttlichen teilten. Seine Landschaftsbilder glichen Andachtsbildern, die bereits 1808 als zu einseitig „bemängelt“ wurden. Währenddessen hielten die Ideen des Klassizismus Einzug. Vor allem in Weimar durch Goethe wurde Kritik laut, die ab etwa 1810 auch Friedrich direkt erreichte. Seine Kunst wurde zunehmend als düster, schwermütig und wenig lebensbejahend beschrieben. 1817 zeigte schließlich eine Schrift der Weimarer Kunstfreunde den unüberwundbaren Bruch zwischen Klassizismus und Romantik und somit zwischen Goethe und Friedrich.
Doch auch der Düsseldorfer Carl Friedrich Lessing musste sich am Anfang Kritik von Goethe gefallen lassen. Sein Frühwerk Klosterhof im Schnee zeigte eine Nähe zu Caspar David Friedrich, die Goethe nicht gut hieß.
Was ist das für eine frostige Jugend, die eine solche Winterlandschaft wie diese hier […] malt; ich höre viel Gutes von dem jungen Manne, er verrät Talent, aber mit seiner Winterlandschaft will ich nichts zu schaffen haben, und dabei noch Mönche und Begräbnis, lauter Negotationen. […] nichts als Tode, oder Erstorbenheit.
Johann Wolfgang von Goethe
Von da an wurden nun „lebensbejahende“ Naturbilder gegen die von Friedrich ausgespielt. Sein guter künstlerischer Ruf bekam zusehens Kratzer. Mit dem Antritt Wilhelm Schadows als Rektor der Kunstakademie in Düsseldorf 1826 zeigte sich die Veränderung bereits deutlich. Lessing löste Friedrich als wegweisender Lanschaftsmaler zusehends ab. Sein genaues Naturstudium ignoriert und diskreditiert, das der Düsseldorfer hingegen als „treue Naturstudien“ der „vaterländischen Landschaft“ bezeichnend.
1835 erreichte dann die Düsseldorfer Malerschule ihren Höhepunkt und die Kunstwelt war völlig auf der Seite des neuen Geschmacks. Dresdener Maler wie Ernst Friedrich Oehme wurde in der Nachfolge Friedrichs als „gräberdurstiger Palettenvampyr“ diskreditiert und in den Ausstellungen waren stimmungsvolle und großformatige Bilder gefragt. Caspar David Friedrich blieb trotz aller Kritik zeitlebens seiner Bildsprache und -größen treu und sank immer weiter in der Gunst des Publikums. Nach einem Schlaganfall im selben Jahr wurde es ihm aber unmöglich, weiter mit Öl zu malen. Da war von seiner Anerkennung nicht mehr viel übrig.
Das Klassische nenn ich das Gesunde und das Romantische das Kranke.
Carl Gustav Carus – Freund & Weggefährte, Arzt, Naturphilosoph & Maler
Wer hätte zu der Zeit geahnt, dass rund 60-70 Jahre nach Friedrichs Tod und seiner Beurteilung als Außenseiter, Lessing und die Düsseldorfer Maler als „ästhetischer Irrweg“ bezeichnet werden und diese Werke ins Hintertreffen geraten würden. Galten damals die durchkomponierten, naturwissenschaftlich-mathematischen Darstellungen von Friedrich als radikal und Natur als Ausdruck des Göttlichen und die Emotionalisierung der Landschaft zu düster, so gelten sie heute als schön.
Konzept der Ausstellung
Diese Unterschiede aber auch Ähnlichkeiten arbeiteten die Kuratoren des Kunstpalasts (Bettina Baumgärtel) sowie des Museums der bildenden Künste Leipzig (Jan Nicolaisen) in der Ausstellung „Caspar David Friedrich & die Düsseldorfer Romantiker“ mit ca. 130 Gemälden und Grafiken heraus. Etwa 60 Werke der wenigen noch erhaltenen Gemälde und Zeichnungen Caspar David Friedrichs konnten zusammengetragen und ausgeliehen werden und wurden mit Arbeiten seiner Dresdener Malerfreunde (wie Carl Gustav Carus, Ludwig Richter sowie Ernst Ferdinan Oehme) denen der Düsseldorfer Romantiker (wie Andreas und Oswald Achenbach, Carl Friedrich Lessing sowie Johann Wilhelm Schirmer) gegenübergestellt.
Präsentiert wird damit der aufkommende Geschmackswandel von der Frühromantik bis zu den Anfängen des Realismus, bei dem erstmalig ein Dialog zwischen den sächsischen und den Malern aus dem Rheinland hergestellt wird. Es wird daran deutlich, dass die Wahrnehmung von Kunst immer und ständig einem Wandel unterliegt. So zählt Friedrich heute zu den bedeutendsten Malern des 19. Jahrhunderts und es verwundert, dass die Düsseldorfer damals als die wahren Romantiker gefeiert wurden, wie auch Bettina Baumgärtel betont.
Die 8 Kapitel der Ausstellung
Jetzt bin ich aber soweit ausgeschweift. Kommen wir zur Ausstellung an sich. Sie ist in acht Kapitel aufgeteilt, die sich im Kunstpalast der Ablösung der Dresdener durch die Düsseldorfer Romantiker annimmt.
I – Atelierszenen
Ein zentrales Motiv der Romantik ist die Besinnung auf das eigene Ich. Während die Düsseldorfer sich gerne selbst darstellten, existieren nur wenige Selbstbildnisse von Caspar David Friedrich. Ganze acht Werke sind aus seinem Frühwerk bekannt, aber keins wurde in Öl angefertigt.
Fondation Custodia, Collection Frits Lugt, Paris
Auch Bilder in seinem Atelier als Ort der Inspiration unterscheiden sich wesentlich von denen der Düsseldorfer. Während Friedrich sich von anderen Malern einsam und fast sakral in seinem Atelier zeichnen ließ, muten die Atelierszenen aus Düsseldorf gerade zu ausgelassen an.
Öl auf Leinwand, 53,5 x 41 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
©️ Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Foto: Jörg P. Anders
II – Stille Schau auf die Landschaft und Andacht in der Natur
Der Blick aus dem Fenster, dem Betrachter mit dem Rücken zugewandt, ohne das Gesicht auch nur erahnen zu können, so greift Friedrich auf das gängige Sehnsuchtsmotiv der Romantik zurück. Zum Beispiel bei Frau am Fenster (1822) fixiert die Symmetrie des Bildes meinen Blick, während die Frau andächtig in die Natur schaut. Sie ist die Mittlerin zwischen Drinnen und Draußen und die Landschaft draußen wirkt wie ein Bild im Bild. Eine Metapher, die sich seit der Moderne etabliert hat und die Sicht des Malers auf die Welt zeigt. Das „Framing“ ist auch heute noch ein Stilmittel z.B. der Fotografie und soll den Blick lenken.
Öl auf Leinwand, 44 x 37 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
©️ Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Foto: Jörg P. Anders
Bei den Düsseldorfer Malern hingegen werden die Menschen als konkrete Personen sichtbar, zeigen sich in Dreiviertelansicht dem Betrachter. Doch auch Karl Friedrich Schinkel und Andreas Achenbach nutzen das Framing in ihren Bildern.
Natur als Andachtsort
Tritt denn hin auf den Gipfel des Gebirges, schau hin über die langen Hügelreihen, betrachte das Fortziehen der Ströme und alle Herrlichkeit […], und welches Gefühl ergreift Dich? Es ist eine stille Andacht in Dir, Du selbst verlierst Dich im unbegrenzten Raume, Dein ganzes Wesen erfährt eine stille Läuterung und Reinigung, Dein Ich verschwindet, Du bist nichts. Gott ist alles.
Carl Gustav Carus
Dieses Zitat liefert eine Erklärung und Verständnis für Caspar David Friedrichs Landschaftsbilder wie z.B. das Bild Das Riesengebirge (Vor Sonnenaufgang), ca. 1830-1835. Die in verschiedenste Lichtstimmungen getauchten grenzenlosen Landschaften lassen einem die Unendlichkeit spüren. Oftmals sind die Bilder von Licht durchflutet, womöglich göttliches Licht. Physisch spürbare Lichtstrahlen als Zeichen Gottes und des von ihm geschaffenen Universums. Doch ein direkter Zugang wird immer verwehrt. Friedrich, aber auch Carus bauten Mittler*innen zwischen der Natur und dem außenstehenden Betrachter ins Bild ein.
Öl auf Leinwand, 22 x 30,5 cm, Museum Folkwang Essen
©️ Museum Folkwang Essen – Artothek
Die Düsseldorfer hingegen begegneten dem Andachtsort erzählerisch. Betende in der Natur, wie bei Lessings Die tausenjährige Eiche (1837), die wiederum deutlich am Geschehen im Bild teilnehmen und sichtbar sind.
ganz links: Das Riesengebirge (Vor Sonnenaufgang), um 1830-1835, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Berührend, beeindruckend und auch anders als die Düsseldorfer stellt Ernst Ferdinand Oehme die Andacht in seinem Gemälde Landschaft im Erzgebirge mit betenden Bergleuten (1826) dar, die einen schonungslosen Blick auf die Ausbeutung der Natur durch den Bergbau und die Gefahren unter Tage. Kinder scheinen für ihr Überleben im Bergwerk zu bitten. Eines der ersten Bilder mit sozialkritischem Hintergrund.
Paris, Musée du Louvre
Auch die Düsseldorfer greifen die politischen Umstände des Vormärzes und die langsame Politisierung der Bevölkerung in ihren Werken auf, z.B. Wilhelm Joseph Heine mit seinem Gottesdienst in der Zuchthauskirche (1837). Er setzte erste Akzente, auch wenn es sich um kein Landschaftsbild handelt.
Kunstpalast, Düsseldorf
III – Das sakrale Naturbild – Vergänglichkeit und Tod
Friedrich verstand es perfekt, seine Landschaftsmalerei mit der christlichen Ikonografie zu verbinden, wie schnell im Ausstellungsraum III deutlich wird. Strenge Linien, Natur im Nebel, im Schnee – Caspar David Friedrich perfektionierte seine Andachtsbilder. Die Natur wird zur neuen Kirche und Altar erhoben und das göttliche Licht strahlt auf die von ihm gezeichneten Kruzifixe. Die gezeigten Winter- und Friedhofsbilder sollen wie das Innere einer Kirche als Andachtsraum wirken und Trost spenden. Doch gerade diese Verneinung von Wärme, Frühling und Leben brachten Friedrich die erwähnte lebensferne Kritik ein. Dabei inspirierten sie auch Lessing und Carus zu wichtigen Bildern, wie das oben erwähnte Klosterhof im Schnee (um 1829).
Ihnen ging es aber eher um die starken, stimmungsvollen Bildmotive als um den religiösen Hintergrund. Diese reicherten sie mit Mythen aus der deutschen Geschichte an und wendeten sich der Gotik und Romantik zu. Die Wiederentdeckung des christlich gepägten Mittelalters wurde als Ausdruck eines neuen Nationalgefühls gedeutet mit Gott als höchste Instanz anstatt der Fürsten.
In diesem Bereich der Ausstellung befindet sich auch das Bild, welches mich am meisten ansprach und in seinen Bann zog – Caspar David Friedrichs Kreuz im Gebirge (um 1812). Es ist mystisch, mit einem tiefen Abendrot, eine Kirche hinter dem Kreuz, die durch den Nebel erkennbar ist und eine Symmetrie, die mich in den Bann geschlagen hat.
IV -Von der Naturstudie zum komponierten Bild
Spannend sind auch die vielen Zeichnungen, die der Kunstpalast hier zusammengetragen hat. Vorstudien zu Gemälden von Caspar David Friedrich, die seine Disziplin und seine Akribie verdeutlichen, mit denen er sich detailgetreu an Bäume und andere Motive herantastete. Studien, die als persönliches Bildarchiv fungierten und zur Bildkomposition herangezogen wurden. So entstanden aus verschiedenen Studien ein komponiertes Ölgemälde.
Im Grunde verstand sich Caspar David Friedrich bei näherer Betrachtung als Zeichner. Er zeichnete ein Gemälde in Kreide, Rohrfeder, Tusche und Sepia Schicht für Schicht auf einer Leinwand vor. Sowohl er als auch Johann Wilhelm Schirmer nutzten die Zeichnungen und Ölstudien als wichtiges Mittel auf ihrem Weg zum fertigen Gemälde.
V – Vom Meer als Grenzerfahrung
Als ein weiteres romantisches Motiv gilt das Meer. Friedrich hatte das Meer in Greifswald direkt vor der Tür, aber durch das Ertrinken seines Bruders vor seinen Augen in Kindheitstagen war dies sicherlich ambivalent besetzt. Schon früh zeichnete er die Küstenlinie, den Strand und auch die Kreidefelsen auf Rügen. Diese Zeichnungen befinden sich fast am Ende der Ausstellung.
Museum der bildenden Künste Leipzig
Generell faszinierte die romantischen Maler die Küstenlinie als Ort der Grenzerfahrung, denn die Küste stellt die Grenze zwischen dem unsicheren Meer und dem sicheren Festland dar. In diesem Sujet tritt der Gegensatz der Düsseldorfer Romantiker und Caspar David Friedrich am deutlichsten zutage. Seine Seestücke sind viel kleinformatiger und melancholischer, zeigen oft nächtliche Szenen oder Dämmerungen, in der die Zeit stillzustehen scheint und ein Gefühl von Einsamkeit erzeugen. Ein gutes Beispiel ist das Seestück bei Mondschein (1827/28).
Mein Favorit ist aber Lebensstufen (1834/35), welches anscheinend Friedrich von hinten an der Ostsee und deren Boddenlandschaft zeigt, der ergrauten, langen Haaren mit Spazierstock auf seine Frau und Kinder zuläuft. Die Kinder spielen mit einer schwedischen Fahne – ein Hinweis auf die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress, bei dem Vorpommern Schweden zugesprochen wurde. Auch sein altdeutsches Outfit mit Barett und Mantel besitzt somit eine politische Komponente. Ab 1819 war diese Kleidung verboten und wurde als Zeichen des Protests getragen. Ein Risiko für den Maler – und gut gewähltes Hauptmotiv der Ausstellung.
Museum der bildenden Künste Leipzig
mit Skizzen zu Meeresszenen
Im starken Gegensatz dazu stehen die großformatigen und gewaltigen Bilder der Düsseldorfer, allen voran die Bilder von Andreas Achenbach. Ein Seesturm an der norwegischen Küste (1837) zeigt den Untergang eines Schiffes mit einem Drama wie eine Wagneroper. Diese Bilder waren bei den Sammlern sehr beliebt und verdeutlichten den Geschmackswandel hin zu großformatigen Bildern und weniger innerlichen Befindlichkeiten.
Städel Museum, Frankfurt am Main – wandfüllend
VI – Die Entdeckung der heimatlichen Landschaft
Ich begreife nicht, warum die Leute immer so weit fortgehen, um Studien zu malen; hätte ich Zeit und Geld, so würde ich zuerst ganz Deutschland gründlich bereisen, wo noch viele interessante und unbekannte Gegenden sind.
Carl Friedrich Lessing
Wie passend gerade zur Pandemiezeit. Als nach der ersten Welle im Sommer 2020 ein eingeschränktes Reisen wieder möglich wurde, entdeckten viele Menschen die Schönheit der eigenen Heimat durch Wanderungen und Kurzurlaube. Auch wenn eine Italienreise wieder möglich wurde, erlebten viele Gegenden innerhalb Deutschlands einen regelrechten Run.
Doch Italien galt seit der Renaissance als Inbegriff der Bildungsreise für ambitionierte Maler. Selbst Goethe konnte sich dem nicht entziehen. Aber mit dem Erstarken des Nationalbewusstseins rückte die deutsche Heimat in den Fokus von Friedrich und Lessing sowie weiteren romantischen Malern. Während Caspar David Friedrich sich den naheliegenden Gegenden Vorpommern, Neubrandenburg, Sächsische Schweiz und dem Riesengebirge annahm, beschäftigte sich Carl Friedrich Lessing mit dem Rheinland, der bisher wenig erkundeten und erschlossenen Eifel, dem Harz und Schlesien.
Düsseldorf, Kunstpalast
Dauerleihgabe der Kunstakademie Düsseldorf (NRW)
Während die Dresdener Maler eine emotionale Wirkung und eine Einsamkeit hervorrufen wollten, widmeten sich die Düsseldorfer ab dem Ende der 1830er Jahre zunehmend der wirklichkeitsgetreuen Darstellung der Landschaften. Modern gesehen, waren sie die Instagramer von damals. Würden wir die heutigen Fotos der „German Roamers“ neben die Werke der Romantiker legen, hätten wir bestimmt viele Fotos schon gemalt vorliegen. ;)
VII – Mittelalter-Romantik – Lebenswege und Pilgerreisen
Doch die Fremdherrschaft unter Napoleon und der Zusammenbruch alter Strukturen sowie die neue Aufteilung Europas hatten auch bei den Malern Spuren hinterlassen. Das Mittelalter als Ideal nationaler Einheit und Stärke floss immer mehr in die Bilder hinein. Die Darstellung von Burgen und Schlössern bildeten nicht die damalige Realität ab, sondern zeigten idealisierte mittelalterliche Landschaften, teilweise ergänzt um Kreuzritter wie in Heimkehrender Kreuzritter (1835) von Lessing.
Lessing war der erste der Düsseldorfer Malerschule, der Ritter als Sinnbild für Freiheit und Tugend in heimatlicher Landschaft sowie auf Burgen und Schlössern inszinierte. Viele seiner Kollegen folgten und so wird die Ritterromantik bezeichnend für die Düsseldorfer. Auch Dresdner wie Ernst Ferdinand Oehme und Adrian Ludwig Richter widmeten sich dem Thema.
Öl auf Leinwand, 78 x 110 cm
Privatsammlung
©️ Sasa Fuis / VAN HAM Kunstauktionen GmbH & Co. KG
Lessing war es auch, der die Pilgerreise als Thema aufgriff. All diese Themen sind bei Caspar David Friedrich nicht zu finden. Er legte außerdem weniger Wert auf die genaue Darstellung der Landschaft als auf die emotionale Wirkung. Der einsame Wanderer findet nur Einzug in sein Werk als Metapher für den Lebensweg (oder zum Größenvergleich). Die Studien der eigenen Heimat bedeutete für ihn, bei sich selbst anzukommen. Seine Werke zeigen weite Landschaften, die unendlich wirken und dies ohne jegliche Dramatik. So soll sich der Betrachter selbstreflektierend seiner eigenen Begrenztheit bewusst werden. Der Blick wird nach innen gerichtet.
VIII – „Hymne an die Nacht“ – Mondscheinlandschaften
Die Ausstellung schließt symbolisch mit Szenen der Nacht, mit den Mondscheinlandschaften. Ein weiterer Inbegriff der Romantik mit dem Mond als Urbild romantischer Sehnsucht. Einen nicht von der Hand zu weisender Einfluss hatte dabei Novalis‘ Gedichtzyklus Hymne an die Nacht (1798/99), der die Nacht zum Liebes- und Todessymbol verklärte.
Auch in den Mondlandschaften greift Caspar David Friedrich erneut die altdeutsche Tracht auf ebenso Johan Christian Clausen Dahl. Beide malten Mondlandschaften 1819 mit Menschen in altdeutscher Tracht – dem Jahr der Karlsbader Beschlüsse, die diese Kleidung verbot. Sie wurde als „Gesinnungstracht der sog. Demagogen“ angesehen und Demagogen wurden verfolgt, was auch Friedrich und seine Freunde betraf.
Einsamkeit & Todessehnsucht in Caspar David Friedrichs Bildern
In sanftem, diffusem Streulicht getaucht, bieten die Bilder Friedrichs ein göttliches Funkeln zum Beispiel eines mondbeschienenen Meeresspiegel, z.B. bei Stadt bei Mondaufgang (1817).
Einerseits eine Szenerie zum Träumen, andererseits muten die Mondscheinlandschaften auch schwermütig an. Wie Novalis‘ Gedichte beinhalten auch sie eine Todessehnsucht. Friedrich musste sich deswegen die Kritik einer todesverliebten Romantik gefallen lassen.
Des Herrn Friedrichs Bilder sind düster und originell. Er hat sich ein eigenes Genre gebildet, von dem zu wünschen ist, daß es nicht zu viele Nachahmer findet.
Königlich privilegirte Berlinische Zeitung (1814)
Während bei Friedrichs nächtlichen Motiven die irdische und himmlische Sphäre zu verschwimmen scheint, sind die wenigen Düsseldorfer Mondscheinlandschaften schlaglichtartig beleuchtet, sind dramatischer und offenbaren eine Nähe zu den niederländischen Meistern des 17. Jahrhunderts (Johann Wilhelm Schirmers Landschaft im Mondlicht (1845-1855)).
Neue Genre und Abkehr von der Romantik
Carl Friedrich Lessing hingegen schlug ein völlig neues Kapitel der Malerei auf, den nächtlichen Krimi – Räuber, Diebe und andere Außenseiter der Gesellschaft, die im Schutze der Nacht ihren Machenschaften nachgehen, werden dargestellt. Weitere Gegenströmungen zu Friedrichs Einsamkeit in den Mondlandschaften bilden u.a. Johann Peter Hasenclever, der sich der romantischen Ironie bemächtigte und sich somit von der Romantik abkehrte, während Oswald Achenbachs Sommernacht beim Blick von Neapel auf Ischia (1888) eine Sehnsucht nach dem Süden offenbart und befeuert mit der bevölkerten Stadt das romantische Klischee „Bella Italias“ mit enormen Pathos. Ein letzter, extremer Gegensatz zu Caspar David Friedrich, mit dem die Ausstellung abschließt.
Privatbesitz
Warum Du die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung besuchen solltest
Selten ist es gelungen, so viele bedeutende Werke aus dieser Epoche unter solch schwierigen Bedingungen zu einer Ausstellung zusammen zu tragen – inkl. Übergabe von Werken an Landesgrenzen wegen Coronaregelungen. Auch eine Gegenüberstellung der Dresdener und Düsseldorfer Maler und das in Beziehung Setzen hat es in dieser Art und Weise bisher nicht gegeben.
Die Kuratoren aus Düsseldorf und Leipzig haben Großartiges vollbracht und erlauben einen Einblick ins 19. Jahrhundert inklusive Einordnung ins Gesellschaftspolitische, das mir so bisher nicht bekannt war. Es muss halt nicht immer moderne Kunst oder Fotoausstellungen sein. Die „alten Schinken“ taugen immer noch, um mehr über Geschichte und das Leben sowie die Beweggründe des Malers zu erfahren und warum ein heute berühmter Maler so in Vergessenheit geraten konnte.
Wenn Du es nicht mehr in Düsseldorf schaffen solltest, dann solltest Du sie im Anschluss in Leipzig nicht verpassen. Die Ausstellung wird im Museum für bildende Künste in Leipzig voraussichtlich vom 08.10.2021 bis 09.01.2022 zu sehen sein.
Achtung: die ausgestellten Bilder unterscheiden sich leicht zwischen Düsseldorf und Leipzig (Abweichungen sind im Ausstellungskatalog vermerkt)
Weitere Informationen
KUNSTPALAST
Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf
Öffnungszeiten
- Dienstag, Mittwoch, Freitag-Sonntag: 11-18 Uhr
- Donnerstag: 11-21 Uhr
- Montag geschlossen
Preise
- Ticket Kunstpalast: 12 Euro
- ermäßigt: 9 Euro
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt. Ein Onlineticket mit Zeitslot wird angeboten, um die Maximalanzahl der Menschen einschätzen und somit die Auflagen einhalten zu können.
Buchtipp/Austellungskatalog*:
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Fotos: Soweit nicht anders angegeben, unterliegen die Fotos meinem Urheberrecht und dürfen nicht ohne Genehmigung verwendet werden. Eine Nutzungslizenz für meine Fotos ist möglich. Weitere Fotos findest Du auf Flickr.
Offenlegung: Ich war zweimal als Vertreter der Presse kostenlos in der Ausstellung – einmal zur Pressekonferenz, als die Ausstellung im Herbst 2020 eröffnet wurde sowie bei der Wiedereröffnung des Kunstpalastes im März 2021 bei einem einstündigen Presseslot. Meine Meinung blieb davon unbeeindruckt.
Liebe Romy,
ich gebe zu nicht den ganzen Text gelesen zu haben und eigentlich gehe ich auch nicht oft ins „Bildermuseum“, aber dieser Beitrag hat mich doch sehr inspiriert und vor allem deine schön in Szene gesetzen Bilder von den Werken Friedrichs sind ein wahrer Augenschmaus. Es hat mir Lust auf die Ausstellung gemacht. Ich schau mal digital vorbei.
Liebe Christiane,
diese Ausstellung hat auch viel Spaß gemacht, weil sie gut erklärt wurde. Ich hoffe, dass das in den Onlineführungen auch gemacht wird.
Ansonsten: ab Oktober ab nach Leipzig! ;)
Wow, an dir ist ja eine Kunsthistorikerin verloren gegangen! Ich hab mit viel Begeisterung gelesen, auch weil ich mich schon drauf freue, dass die Ausstellung im nächsten Jahr zu uns nach Leipzig kommt :-)
Bei dem Bild „Frau vor der auf- oder untergehenden Sonne“ musste ich lachen – das ist die exakte Vorwegnahme der Instagram-Selfies von hinten!
LG
Jenny
Nee, eher haben das die Kuratoren gut im Katalog und den Pressematerialien aufbereitet, so dass ich gut darüber schreiben konnte. Hab damit aber schon etwas gehadert und lange gebraucht, den Beitrag fertig zu bekommen. Ich freu mich schon, wenn die Ausstellung im Herbst in Leipzig ist und ich hoffe, ich hab die Chance, dort noch mal vorbeizuschauen.
Und ja: irgendwo hatte ich das auch angemerkt, dass die Romantiker die wahren Instagramer sind/waren. Leider ist das erwähnte Bild genau eines der Bilder, die wohl nicht in Leipzig zu sehen sein werden. Dafür dann aber andere – daher muss ich unbedingt diese Station auch sehen. :D