Zum 80. Geburtstag des deutschen Künstlers Anselm Kiefer vereinten zwei der größten Museen Amsterdams, das Van Gogh und das Stedelijk Museum, ihre Kräfte und widmeten ihm mit Sag mir wo die Blumen sind eine monumentale Ausstellung. Leider lief die Ausstellung nur drei Monate (07.03.-09.06.2025), obwohl sie viel durchaus mehr verdient hätte, denn das Interesse sprach durchaus dafür.
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Anselm Kiefer gilt – neben Gerhard Richter und einigen anderen – als einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstler:innen, den Deutschland hervor gebracht hat. Geboren in den letzten Kriegswochen 1945 in Donaueschingen im Südwesten von Baden-Württemberg, wohnt der Künstler bereits seit Beginn der 1990er Jahre in Frankreich. Doch wie kommt es, dass gerade die Niederlande, dass Amsterdam ihm eine solche Ausstellung zum runden Geburtstag widmete?

Kiefers Verbindungen in die Niederlande reichen weit zurück. In Jugendtagen begann er sich mit der Kunst von Vincent Van Gogh auseinanderzusetzen. Als seine Kunst in Deutschland noch nicht gewürdigt wurde, fanden sich in den Niederlanden bereits erste Sammler:innen und Galerist:innen. Es verwundert daher nicht, dass Anselm Kiefers erste museale Ausstellung 1979 auch in den Niederlanden (Eindhoven) stattfand.
Anselm Kiefer & Vincent Van Gogh
Die Ausstellung beginnt im Van Gogh-Museum in Amsterdam. Ich hatte mir in weiser Voraussicht einen Zeitslot für montags, kurz nach 10 Uhr gebucht. Die Schlangen waren lang und alle Tickets für den Tag angeblich schon längst ausverkauft. Da ich das Van Gogh-Museum bereits kannte, hatte ich mich für die preiswerte Option Kiefer-only, aber mit Audioguide entschieden. Museen sind in den Niederlanden generell um einiges teurer als in Deutschland, daher war das für mich sowie auch zeitlich die beste Option.

Das Van Gogh-Museum zeigte dennoch einige Werke des namensgebenden Künstlers und stellte diese oft eher kleinen Werke den überdimensionalen Werken Anselm Kiefers gegenüber. Der Einfluss von Van Gogh ist unverkennbar und beabsichtigt.

Bereits in den 1960er Jahren begab sich Kiefer auf Spurensuche Van Goghs in den Niederlanden, Belgien und Frankreich und fertigte Skizzen in einem Reisetagebuch an. Einige frühe Skizzen wurden auch im Obergeschoss des Museums gezeigt.


Ausstellungskatalog
Den Ausstellungskatalog zu Sag mir wo die Blumen sind gibt es auf niederländisch und englisch vor Ort oder auf amazon.de* (englische Ausgabe) zu kaufen.
Sonnenblumen und Sternennächte
Auffällig im Van Gogh-Museum sind in der Ausstellung Werke, die ähnliche Sujets abbilden – Sonnenblumen zum Beispiel. Wer kennt sie nicht, die berühmten Sonnenblumen Van Goghs, kurz geschnitten in einer schlichten Vase stehend. Dem gegenüber gestellt Sol Invictus (1995), fast fünf Meter hoch, gespickt mit Sonnenblumensamen und einer Person darunter liegend.

Oder direkt im ersten Ausstellungsraum De sterrennacht (The Starry Night) von 2019, das allein vom Namen her an Sternennacht von Van Gogh erinnert.

Doch De sterrennacht (The Starry Night) begeistert mich nicht nur mit seiner offensichtlichen Nähe zum Van Gogh-Gemälde. Es ist auch nicht die schiere Größe – mit über acht Meter Breite überflügelt es einfach in mehreren Dimensionen das “Original”. Es ist die Farbigkeit und die Dreidimensionalität, mit der Anselm Kiefer sein Werk schuf. Im späteren Verlauf der Ausstellung klärt sich in einigen gezeigten Dokumentationen über Kiefer und seine Arbeitsweise, wie (und wo) er diese monumentalen Werke erschafft.

Eingearbeitetes Stroh, Elektrolyse, Blattgold, Draht und vieles mehr dient zur Visualisierung seiner Ideen. Vor allem Gold ist eines seiner liebsten Gestaltungsmittel, wie mir scheint. Nun ja, als ein solch international erfolgreicher Künstler, ist dies sicherlich im Budget.

Im zweiten Stock des Van Gogh-Museums fanden sich weitere Gegenüberstellungen. An dieser Stelle fand ich den Audioguide besonders hilfreich. Den gab es auch auf Deutsch.


Leere in Anselm Kiefers Werken
Neben Van Gogh setzt sich Anselm Kiefer aber auch stark mit der deutschen Vergangenheit, dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegsgeschichte auseinander. Schon während seines Studiums in Freiburg (i. Breisgau) und Karlsruhe war dies Thema, vor allem in seiner Abschlussarbeit Besetzungen.
Im ersten Ausstellungsraum sprachen mich in diesem Kontext vor allem die zwei Bilder Das letzte Fuder (The Last Load) sowie Schierlingsbecher (Hemlock Cup), beide aus 2019, an. Das erste Bild zog mich stark in seinen Bann und erinnerte mich an die Geschichten, die wohl jeder von seinen (Ur-)Großeltern gehört hat, die sich bewusst an die ersten Nachkriegsjahre erinnern konnten. Als die Felder so leer wie die Mägen waren und jede Kartoffel geklaut wurde, die man in die Finger bekommen konnte.


Das Gemälde wirkt genau wie so ein geplündertes Feld auf mich. Leer, karg, noch ein paar wenige Reste Stroh oder Heu aufgetürmt. Ähnlich geht es mir auch bei Schierlingsbecher. Obwohl viel auf dem Bild los zu sein scheint, strahlt es auf mich eine unglaubliche Leere aus, der ich mich nicht entziehen kann. Mittig führt ein Weg vorbei an den Wiesen oder Feldern, auf dem der giftige Schierling wächst. Vielleicht wachsen auch andere Blumen um ihn herum.

Doch in der Mitte drängt sich eine Pflanze in den Vordergrund ebenso am rechten Rand. Einsam, aber hochgiftig. Effektiv im Vernichten. Wie Deutsche im Zweiten Weltkrieg mit ihren angeblich vielen Mitläufern, die “dem einen (wahren) Weg” folgten und doch “nur Befehle ausführten”.
Eine weitere Frage stellt sich mir gerade bei diesem Bild: sind die Blumen teilweise bewusst geknickt oder geschah das vielleicht beim Transport/Anbringen und wie transportiert man solche Werke eigentlich, die dreidimensional, riesig und doch fragil sind?
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Die Anselm-Kiefer-Sammlung im Stedelijk Museum
Direkt nebenan zeigte das Stedelijk Museum im zweiten Teil der Ausstellung die Werke von Anselm Kiefer aus seiner Sammlung. Neu hinzugekommen und eigens für die Ausstellung erstellt ist die namensgebende Installation Sag mir wo die Blumen sind. Der Name bezieht sich auf ein 1955 von Pete Seeger geschriebenes Anti-Kriegslied, welches in seiner deutschen Version vor allem durch Marlene Dietrich Bekanntheit erlangte.
Ich verbinde vor allem eine Eislaufkür von Katharina Witt (1994, Lillehammer) damit. Sie lief zur Instrumentalversion eine eindrückliche, sehr erwachsene Kür und schuf damit einen würdigen Abschluss ihrer Wettbewerbskarriere und eine Ehrerbietung an die Toten von Sarajevo während des Balkankrieges in den frühen 1990er Jahren – und die Stadt ihres ersten Olympiasieges.
Die neue Installation “Sag mir wo die Blumen sind”
Das Werk schuf Anselm Kiefer extra für das spektakuläre Treppenhaus des Stedelijk Museums und woanders könnte ich es mir auch nicht vorstellen.

Doch nicht beim Erklimmen der Treppe entfaltet Sag mir wo die Blumen sind seine Wirkung, erst beim Ankommen und einer 180°-Drehung am Absatz wird das volle Ausmaß deutlich. An den langen Seiten erstrecken sich zwei rund 15 Meter breiten und über sechs Meter hohen Leinwände, auf der gegenüberliegenden Seite ein eher quadratisch anmutendes Mittelstück. Dazu die schon beim Erklimmen der Treppe rechts und links sichtbaren schmaleren Leinwände.

Als erstes fielen mir die vielen Uniformen, die Arbeitskleidung auf, die dick mit Farbe und Ton überzogen am unteren Rand der Gemälde hängen. Ab und zu ein Gesicht dazu, darüber viel Gold und weitere Figuren. Darunter getrocknete Rosenblütenblätter. Kiefer soll hier die Absurdität von Existenz und Vergänglichkeit darstellen und dies vor allem auch mit Bezug zu griechischen Philosophen aus der Vor-Sophokles-Zeit. Er stellt also den Kreislauf des Lebens dar mit einer Verbindung zwischen der Erde und etwas Übernatürlichem (z.B. dem Himmel als Konstrukt, wohin die Seele nach dem Tod verschwindet).






Im Mittelstück begegnet mir dabei eine Person wieder, die ich schon bei den Sonnenblumen sah. Eine liegende Person unter einer Pflanze. Diese scheint er hier jedoch in den Händen zu halten. Fast scheint sie aus ihm selbst heraus zu wachsen. Für mich das Zeichen, das aus vergangenem Leben immer Neues entsteht. Wenn ein Körper der Erde zurückgegeben wird, so gibt dieser Nährstoffe in den Kreislauf zurück. Tiere und Pflanzen ernähren sich davon und erschaffen neues Leben.

An anderer Stelle verarbeitet Anselm Kiefer Bilder von Frauen, die er auf seinen Reisen in Indien gemacht hat. Außerdem kommen Bilder von Psychiatriepatienten des französischen Neurologen Jean-Martin Charcot aus dem 19. Jahrhundert zum Einsatz.
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Weitere Werke von Anselm Kiefer in der Sammlung
Das erste Werk, welches mir aber von Anselm Kiefer im Stedelijk Museum in Amsterdam über den Weg lief, war aber Innenraum (Interior) von 1981. Für Kiefers Verhältnisse fast ein Kleinformat mit 287.5 x 311 cm (also rund 3 x 3 Meter). Das Stedelijk Museum erwarb dieses Gemälde 1982, welches auf einem alten Foto der Neuen Reichskanzlei in Berlin (1939) basiert. Es ist Teil von Kiefers stetigen Auseinandersetzung mit dem dritten Reich – hier mit seiner Architektur – und dessen Niedergang. Wirkt das Gebäude nicht bereits verlassen?

Verstörend hingegen wirkt auf mich das Bild im gleichen Raum mit dem Titel Resurrexit (1973). Fast christlich mit Schlange hinterließ es bis heute zahlreiche Fragezeichen bei mir.

Märkischer Sand (1980-82), welches das Museum gleichzeitig mit Innenraum (1981) erwarb, berührt mich familiär stark. Südlich von Berlin, auf feinstem Märkischen Sand erbaut, zeichnet Anselm Kiefer mit diesem eine Landkarte mit spiralförmigen Sand.

Ort wie Mittenwalde, Oranienburg, Königs Wusterhausen und Kloster Lehnin, die Berliner:innen oft von Wochenendausflügen kennen, haben oft einen direkten Bezug zu meiner Familiengeschichte. Kiefer wird wohl eher auf das Lied Märkische Heide, Märkischer Sand angespielt haben. Die inoffizielle Hymne Brandenburgs, welche durch die Nazis vereinnahmt wurde. Dazu errichteten sie KZs, z.B. in Oranienburg und führten Todesmärsche durch den Märkischen Sand hin zu den KZs durch. Eine durchaus typische Mehrdeutigkeit in Kiefers Werken.
Anselm Kiefer, der Feminist?
Ein weiteres Bild, vor dem ich lange verweilte, hing Märkischem Sand (1980-82) gegenüber – Die Frauen der Revolution (The Women of the Revolution), 1986. Es hat sicherlich eine ganz andere Bedeutung, als ich ihr anmesse. Für mich ist das Werk zutiefst feministisch. Es zeigt Pflanzenteile, getrocknete Lilien und Rosen in Bilderrahmen. Oftmals nehmen sie nur einen kleinen Teil des durch den Rahmen abgesteckten Raums ein. Manche Pflanze wirkt sehr verloren und kann leicht übersehen werden.

Wie viele Frauen. Frauen prägen das Bild und sind doch oft nicht zentraler Bestandteil. Stichwort Care Arbeit. Doch das ist ein ganz anderes Thema. Auf jeden Fall beschäftigte mich dieses Werk sehr und ich fand die Assoziation Pflanze = Frau(en) durchaus spannend und nachdenkenswert.
Der Mensch Anselm Kiefer
Über die Person Anselm Kiefer erfuhr man meiner Meinung nach am Meisten in den letzten zwei Räumen der Ausstellung. Dies monumentale Installation Steigend, steigend, sinke nieder (Rising, Rising, Falling Down), 2024 bildet nicht nur einen Rahmen zum gleichnamigen Werk (2016-24) im ersten Raum der Ausstellung im Van Gogh-Museum. Es ist gleichzeitig auch ein Einblick in die Kindheit und die vielfältigen Interessen des Künstlers. Auf Filmrollen aus Blei, einer seiner liebsten Werkstoffe, sind zahlreiche Fotos aufgebracht, dazu finden sich Schaukästen darunter drappiert.



Im angrenzenden Kino wurden diverse Dokumentationen gezeigt, die Anselm Kiefer als Mensch und Künstler greifbarer machten. Warum er manche Arbeiten so schuf und vor allem, wie er sie in Südfrankreich schuf, bevor er 2008 in sein Atelier in Croissy bei Paris zog und sich massiv verkleinerte. Davor tobte sich der Künstler auf 35 ha in Barjac aus. Doch mit mittlerweile 80 Jahren – Herzlichen Glückwunsch! – war das sicherlich ein vorausschauender Schritt, sich etwas zu verkleinern. Croissy umfasst nur noch rund 36.000 m2.
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Warum Du Anselm Kiefer ansehen solltest
Es ist egal, welche Kiefer-Ausstellung – schau sie Dir an! Die Vielfalt der Materialien, Themen und Sujets sind einfach großartig. Die Bilder sind wuchtig. Sie schleudern Dir Textzeilen entgegen und in ihrer Dreidimensionalität schaffen sie oft eine ungeahnte Tiefe. Ja, oftmals wirst Du Dich klein daneben fühlen. Doch dies zwingt Dich, Dich mit Dir und dem Werk auf eine andere Art auseinanderzusetzen.
Tritt nah heran, um die Materialien zu sehen oder weit weg, um Bilder in ihrer Gänze auf Dich wirken zu lassen!
Dazu hat sich Anselm Kiefer von Paul Celan (“Todesfuge”) und Ingeborg Bachmann inspirieren lassen und liebt es, die deutsche Geschichte und Kultur in seinen Bildern zu verarbeiten. Kein:e andere:r Künstler:in der Gegenwart ist so “Deutsch” und doch so kritisch mit seinem Heimatland und dessen Geschichte. Jedes Mal bin ich gleichermaßen fasziniert von der schieren Größe seiner Kunst und den Ideen dahinter.
Mehr Einblick in Anselm Kiefers Leben bekommst Du auch durch Wim Wenders Film “Anselm – Das Rauschen der Zeit”*, der 2023 erschien.

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Fotos: Diese und weitere Fotos findest Du zur Inspiration und für einen Eindruck auf Flickr. Sie unterliegen meinem Urheberrecht. Außerdem hat der Künstler ein Urheberrecht an seinen Bildern sowie die Museen an der Konzipierung der Ausstellung.
Offenlegung: Ich war privat in Amsterdam, habe Anreise, Hotel, Museum und Katalog* selbst bezahlt.
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