Inhalt
Das 6. Philharmonische Konzert war ein einzigartiges Chorkonzert unter dem Titel „Selige Stimmen“. Selig war es dann auch. Der Tschechische Philharmonische Chor Brno, der ja schon öfter im Dortmunder Konzerthaus zu Gast war, war einfach wunderbar. Das wurde mit wunderbaren Solisten an diesem Abend noch unterstrichen.
Wolfgang Amadeus Mozart – Messe c-moll KV 427
Historisch ist die Messe ein Mysterium. Wolfgang Amadeus Mozart hat sie nie vollendet. Doch von Anfang an: Mozart kündigte 1781 seine Stelle beim Erzbischof Colloredo in Salzburg und wurde damit der erste freischaffende Musiker. Hatte er bis dahin viele kürzere Messen geschrieben, bliebt ihm jetzt für die nicht wirklich lukrative Kirchenmusik kaum Zeit.
Das Mysterium hinter der Entstehung
Im August 1782 kam die nächste für Mozart ungewöhnliche Entscheidung. Er heiratete gegen den ausdrücklichen Willen seines Vaters Constanze Weber. Als er dann kurz später in einen Brief an seinen Vater den Besuch der neuen Eheleute bei seinen Eltern ankündigte, erwähnt er auch die Messe das erste Mal. Mozart sprach davon, dass er diese Messe für die Genesung seiner Frau versprochen hatte, als diese noch ledig war. Er unterstrich dies, in dem er die halbe Messe mitschickte.
Heutzutage ist nicht klar, warum er sich in eine grosse Messe ohne Aussicht auf finanziellen Erfolg stürzte. Ist es ein nachträgliches Hochzeitsgeschenk an seine Frau oder wollte er den Vater von Constanze überzeugen? Schließlich war sie eine der größten Sopranistinnen ihrer Zeit und die Messe enthält großartige Sopransoli. Ist es tatsächlich eine Danksagung für die Genesung seiner Frau oder war es doch ein Auftragswerk der Wiener Bruderschaft zur Heiligen Cäcilia? Das werden wir nicht mehr klären können.
Die Unvollendete & die Uraufführung
Die Arbeit an dieser Messe dauerten lange. Mozart war zwar bester Hoffnung, die Messe während des Sommeraufenthaltes bei seinen Eltern fertig zu stellen, schaffte aber nur Fragmente. Die restlichen Teile ließen auf sich warten. Immer wieder kamen lukrativere Sachen dazwischen. Witzigerweise wurde die Messe trotzdem am Ende der Sommerurlaubs, am Abend vor ihrer Abreise, uraufgeführt. Doch bis heute ist unklar, was Mozart an Stelle der nicht vorhandenen Teile spielte.
„Selige Stimmen“ – die Fassung von Hartmut Eder
Die Messe bliebt auch im weiteren Verlauf der Geschichte unvollendet. Zahlreiche Musikwissenschaftler haben versucht, die Messe zu beenden. Während des 6. Philharmonischen Konzerts „Selige Stimmen“ spielten die Dortmunder Philharmoniker die Fassung von Hartmut Eder aus dem Jahr 1987, bei dem das Credo unvollendet blieb. Eder orientierte sich an Mozarts Originalnoten.
Musikalisch zeichnet sich die Messe durch die vielen eingearbeiteten Stile aus. Vor allem wird deutlich, dass sich Mozart zu dieser Zeit sehr mit Bach und Händel beschäftigte. Mozart verarbeitet alles – vom Duett bis zum großen Chor. Auch einen Dialog des Orchestern mit der Sopranistin findet sich in der Messe, außerdem eine große Opernarie und jubelnde Chorstücke.
Alles in allem eine Messe, in der sowohl der Tschechische Philharmonische Chor aus Brno brilliert als auch die hervorragenden Solisten Akiho Tsujii (Sopran), Anna Harvey (Mezzosopran), Benjamin Glaubitz (Tenor) und Lucas Singer (Bass).
Sergej Rachmaninow – Die Glocken op. 35
Der zweite Teil von „Selige Stimmen“ widmete sich Rachmaninow. Die besondere Verbindung der Dortmunder Philharmoniker und vor allem des Generalmusikdirektors Gabriel Feltz (unter seiner Leitung erhielten die Stuttgarter Philharmoniker 2007 den „Prix Rachmaninow“ der „Foundation Sergej Rachmaninow“) zu Rachmaninow ist bekannt. Sie wird aber auch jedes mal wieder deutlich, wenn sie Rachmaninow spielen. Das passt einfach.
Ein Gedicht von Edgar Allan Poe als Grundmotiv
Die Glocken, ein chorsinfonisches Poem für Chor, großes Orchester und drei Gesangssolisten vertont das Gedicht „Die Glocken“ von Edgar Allan Poe. Poe beschrieb in diesem Gedicht 1848 – zu einer Zeit in der die Kirchenglocken die Zeit und den Lebensrhythmus der Menschen bestimmten – die verschiedenen Stationen des Daseins.
Die fröhliche Jugend, die glückliche Hochzeit, die stürmischen Turbulenzen und der abschließende Tod. Das sind auch gleichzeitig die vier Sätze von Rachmaninows Glocken. Die Silberne Glocke, die Hochzeitsglocken, die Sturmglocken und die Todesglocke.
Die sinfonische Umsetzung durch Rachmaninow
Anders als in Poes Gedicht endet das Stück aber versöhnlich. Das friedliche Orchesternachspiel endet tröstlich. Ein großes Stück: Zuerst die heitere Jugend, in der es lustig zugeht. Dann kommt die Hochzeitsglocke, die dunkler beginnt, sich aber zum Jubel steigert. Der dritte Satz, die Sturmglocken, ist genau so – stürmisch. Es dreht sich alles um die Kämpfe im Leben. Musikalisch ist es geprägt von massiven Schlagwerk, grellen Flöten und dann kommt das von Rachmaninow so geliebte „Dies Irae“-Motiv.
Der vierte Satz beginnt sehr langsam, fast schleppend. Das Englisch Horn spielt Trauer. Plötzlich gibt es ein letztes Aufbäumen – Rachmaninow lässt ein letztes mal alle Orchesterkräfte in einen Fortissimo-Akkord gipfeln.
Die Dortmunder Philharmoniker waren großartig, voller Leben und unglaublich gut. Der Tschechisch Philharmonische Chor aus Brno hat sich zu Rachmaninows Die Glocken fast verdoppelt und ist immer noch großartig. Die Solisten Olesya Golovneva (Sopran), Maxin Aksenov (Tenor) und Luke Stocker (Bass) sind ein Traum. Am besten an diesem Abend fand ich allerdings Felix Kohnke an den Glocken – phänomenal!
Hinterlasse einen Kommentar