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Am Abend des 5. Philharmonischen Konzert drehte sich alles um Russland. Genauer gesagt um die beiden Versuche, in Russland einzumarschieren. Der erste Versuch wurde von Napoleon am 22. Juni 1812 unternommen. Am gleichen Tag 129 Jahre später, am 22. Juni 1941, versuchte Hitler dieses Land einzunehmen. Das Ergebnis war in beiden Fällen das Gleiche, der Anfang des Untergangs. Sowohl von Napoleon als auch von Hitler.
Russland war zwar jeweils nicht einnehmbar, aber das sind für das russische Volk teure Triumphe. Diese Kriege, die in Russland beide „Der große Vaterländische Krieg“ heißen, verlangten dem Volk alles ab. Napoleon scheiterte zwar vor allem am Winter, aber die zermürbenden Stellungskriege kosten nicht nur 90 Prozent der Grande Armée (man spricht von 550.000 Toten) das Leben. Auch 210.000 Russen sterben im Russlandfeldzug 1812.
1. Teurer Triumph: Tschaikowsky – Overture Solennelle “1812”
1882 feierte Russland das große Jubiläum – 70 Jahre Sieg über Napoleon! Der neue Zar Alexander II. wollte die zu diesem Zweck neu gebaute Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau mit Musik des Nationalkomponisten Peter Tschaikowsky einweihen.
Tschaikowsky hielt eigentlich nichts von Auftragsarbeiten. Doch dieser Auftrag war zu lukrativ, um ihn abzulehnen. Ganz zufrieden wird er damit aber nicht. Er schreibt:
„Die Ouvertüre wird sehr laut und lärmend sein. Ich schrieb sie ohne warmes Gefühl und deshalb wird sie vermutlich keinen künstlerischen Wert haben.“
Genau diese Ouverture Solennelle “1812” op. 49 spielen die Dortmunder Philharmoniker beim 5. Philharmonischen Konzert “Teurer Triumph”.
Die vielfältig eingesetzten Kirchenglocken und den Kanonendonner finde ich wunderbar. Die Konfliktparteien werden durch die Verwendung der Marseillaise und der Zarenhymne dargestellt. Ich bekomme ein richtiges Schlachtengemälde auf die Ohren. Der musikalische Sieg, verdeutlicht durch die Zarenhymne, ist zwar historisch nicht ganz so triumphal wie musikalisch dargestellt, aber sorgte für Begeisterungsstürme bei der Premiere.
2. Teurer Triumph: Schostakowitsch – 7. Sinfonie C-Dur, “Leningrader”
Das zweite Stück des Abends “Teurer Triumph” hat es mir aber so richtig angetan. Dmitri Schostakowitschs 7. Sinfonie C-Dur op. 60, „Leningrader“ war ebenfalls eine Auftragsarbeit, ein Propagandaauftrag, aber packt mich beim 5. Philharmonischen Konzerts richtig.
Als Hitler mit der „Operation Barbarossa“ begann, war der Russlandfeldzug längst geplant. Eines der großen Ziele war dabei die Eroberung der Stadt Leningrad. Als Zeichen befahl er die Blockade der Stadt. Leningrad wurde von der Welt und vor allem von der Versorgung mit Lebensmitteln abgeschottet.
Komponieren während der Belagerung
Schostakowitsch wohnte zu diesem Zeitpunkt in dieser Stadt. Er komponiert die ersten drei Sätze noch in Leningrad, ehe er gegen seinen Willen evakuiert wird. In Kuibyshew (der kommissarischen Hauptstadt, heute Samara) komponierte er die 7. Sinfonie zu Ende. In Samara fand am 5. März 1942 auch die Uraufführung mit dem ebenfalls evakuierten Moskauer Orchester des Bolschoi-Theaters statt. Die Sinfonie wurde aus patriotische Pflicht ein Erfolg. Schostakowitsch, vorher noch von Stalin geächtet, wurde zum Komponistenheld.
weltweiter Siegeszug
Die Sinfonie “Leningrader” sollte aber auch weltweit Erfolg erzielen. Nach der risikoreichen Aufführung in Moskau am 27. März 1942 rissen sich die Dirigenten in den USA um die Rechte – ganz im Sinne Stalins, der die Sinfonie und somit seinen Sieg über Hitler-Deutschland weltweit bekannt machen wollte.
Am Radio hörten nicht nur 20 Millionen Amerikaner zu, im darauffolgenden Jahr wurde die Sinfonie 62 mal in den USA aufgeführt.
Zu Propagandazwecken wurde die Sinfonie schließlich im immer noch belagerten Leningrad am 9. August 1942 aufgeführt. Das Leningrader Orchester bestand zwar nur noch aus 14 Musiker, aber die anderen wurden von der Front geholt. Trotz zusätzlichen Rationen verhungerten während der Proben zu dieser Aufführung drei Musiker.
Manifest gegen Krieg und Unterdrückung
Propaganda hin oder her – unter diesen Umständen etwas so Schönes, so Kraftvolles und auch so Lebensbejahendes zu schreiben ist großartig. Die 7. Sinfonie ist klassisch viersätzig. Im ersten Satz zeichnet Schostakowitsch ein idyllisches Bild einer friedlichen, wunderschönen Vergangenheit. Doch dann kommen die Invasoren – mit 350 Takten zu einem furchteinflößenden gigantischen Crescendo. Die Nazis kommen in Form der Melodie „Heut geh ich ins Maxim“ aus Hitlers Lieblingsoperette Die Lustige Witwe von Franz Lehar daher.
Im zweiten Satz versucht die Musik, zurück zur Idylle zu kommen, schafft es aber nicht. Immer wieder wird interveniert. Auch der dritte Satz ist schrill eingefärbt. Einzelne Instrumente klagen im Solo an, es erinnert alles an das Invasionsthema. Gegen Ende wird es aber anders. Die Invasion wird zugunsten des Sieges abgewehrt.
Im vierten Satz wird alles nochmal zusammen gefasst. Aber am Ende steht der Sieg. Obwohl man hier sogar hören kann, dass es kein einfacher Sieg wird. Das war er in der Realität auch nicht. Allein die Belagerung Leningrads kostete eine Million Menschen das Leben. Auch hier ein teurer Triumph für Russland.
Fotos: mit freundlicher Genehmigung von Anneliese Schürer/Dortmunder Philharmoniker
In der Musik ist fast alles erlaubt, Kriegspropaganda hat man auch in anderen Musikrichtungen und gerade das ist was man daraus macht und mit welcher art zu denken man sich diesen musikalischen part man sich Wimmet. Wichtig ist, dass man nicht jedes Wort oder jeden Takt in die reale welt draußen auslebt. Das machen sicher die wenigsten.