Als Schauspieler gilt Lars Eidinger als einer der bedeutenden Vertreter seiner Generation. Ob Theater, Film oder Fernsehen – Lars Eidinger ist nicht mehr wegzudenken. Doch auch als DJ, Musiker und bildender Künstler hat er sich in den letzten Jahren versucht. Diese führte nun 2024/25 zu seiner ersten monografischen Museumsausstellung im K21 Düsseldorf.
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Ich muss gestehen, ich bin bei der Person Lars Eidinger sehr zwiegspalten. Er hat großartige Rollen, u.a. in Babylon Berlin, gespielt. Auf den Bühnen dieser Welt ist er gern gesehen und überzeugt wohl von Hamlet bis zum Jedermann bei den Salzburger Festspielen. Doch ich mag ihn nicht besonders. Dabei kann ich gar nicht sagen, was mich genau an ihm stört. Vielleicht war es die Aktion mit der Tasche, die er für Bree entwarf und die an eine Aldi-Tüte erinnerte. Für den stolzen Preis von 550 Euro. Mit der er vor einer Obdachlosenunterkunft in Berlin posierte.
Oder dass er als DJ tätig ist und ich mir da schon nicht sicher bin, ob er das kann. Weil jeder Promi in einem gewissen Alter gefühlt auch DJ ist. Ist mir alles irgendwie suspekt. Dabei finde ich das gut, wenn Menschen mehr als ein Talent haben und sich zu vielen Dingen berufen fühlen. Doch irgendwie nervt es mich bei Lars Eidinger.
Ausstellung wegen des berühmten Namens?
Dazu seine gefühlte Omnipräsenz auf allen Kanälen. Jetzt halt auch in den Museen dieser Welt. Für mich hat das einen faden Beigeschmack. Bekommt er die Ausstellung, weil er ein bekannter Schauspieler ist? Erhofft sich das Museum mehr Besucher durch den “berühmten” Namen? Kann er wirklich etwas? Ist er ein ernstzunehmender Künstler oder nur einer, der auf einer Welle reitet und mitnimmt, was seine Prominenz zu bieten hat?
Um dies besser beurteilen zu können, habe im September 2024 die Ausstellung im K21 in Düsseldorf besucht. Mein erster Besuch im K21 überhaupt. Sonst begeistert mich eher das K20, das NRW-Forum oder der Kunstpalast in Düsseldorf mit ihren Programmen. 21. Jahrhundert, das der Schwerpunkt des K21 ist, ist nicht immer meins.
Perfekte Voraussetzungen, oder? :D
Themen von “O Mensch” im K21
Ich versuchte dennoch, so unvoreingenommen wie möglich an meinen Besuch von heranzugehen. Die Ausstellung O Mensch basiert auf dem gleichnamigen Fotoband bei Hatje Cantz* und präsentierte Fotografien und Videos aus 2018 bis 2024. Manche Aufnahmen gehen aber bis 2006 zurück.
Lars Eidinger fotografierte unscheinbare Details im Alltag und vermeintlich nebensächliche Situationen. Meist mit Smartphone, ab und zu mit einer Spiegelreflexkemera. So soll laut K21 ein Kaleidoskop der Gegenwart realisiert werden. Die angesprochenen Themen, die Motivauswahl finde ich dabei sogar spannend. Themen des Alltags in tristen Innenstädten, die Lars Eidinger auf seinen Reisen als Schauspieler besucht, finde ich grundsätzlich interessant. Skurrile Bausünden, absurde Wegführungen und oftmals menschenfeindlich gestaltete Sitzmöglichkeiten in diesen Innenstädten – das ist pures Internetgold.
Das sind die Dinge, die als Memes auf Social Media wiedergeboren werden, die uns zum Lachen bringen. In Übersichtsartikeln von Buzzfeed. Aber auch zum Nachdenken und zum Gedanken: “Ja, kenne ich von meiner eigenen Stadt ähnlich.” Obdachlosigkeit und Armut und das Domestizieren der Natur sind nicht nur Eidingers prägenden Sujets, sondern auch etwas, mit dem sich jeder identifizieren kann. Was zum Erfolg seiner Ausstellung und Fotos sicherlich beiträgt.
Die Haikus von Yoko Tawada
Während ich von vielen Bildern und Videos nicht restlos überzeugt bin, fällt mir eines sehr positiv auf: die Haikus in deutscher Sprache der in Berlin lebenden, japanischen Dichterin Yoko Tawada, die über, unter und neben den Fotos von Lars Eidinger handschriftlich von ihr angebracht wurden. Diese kurzen Gedichte sind auch bereits im Fotoband zu finden. Sie gaben meiner Meinung nach den Fotos erst den letzten Schliff, das gewisse Etwas und die Pointiertheit. Eine sehr gute Ergänzung. Leider sind sie auf den Fotos nur schlecht lesbar.
Immer wieder stolpere ich in der Bel Etage in den drei großen Ausstellungsräumen mit den Bildern von Lars Eidinger auf die kleinen Gedichte von Yoko Tawada. Sie erfreuen mich fast mehr als die Bilder.
Lars Eidingers Fotos – Schwarz/Weiß vs. Farbe
Manche Bilder finde ich richtig gut. Gute Motive, schöne Details, vor allem die Schwarz-Weiß-Fotos im Raum 2.001 an Wand F, in dem kleinen “Kabuff” am Ende des Raums. Ein Fuchs, der am Bikini Berlin in Charlottenburg über den leeren Platz läuft, die Taube auf der Schulter eines Mannes in Berlin oder der Stormtrooper auf dem Fahrrad aus Budapest. Das sind gute Momentaufnahmen. Ein Beweis für ein gutes Auge und den Sinn für den Augenblick. Dazu sind die Bilder in einer guten Qualität.
Dem gegenüber stehen mehrere hochformatige Farbfotos, die aussehen, als hätte jemand die Schnappschüsse aus dem iPhone ausgedruckt. Ja, vielel moderne Fotografen haben so einen ähnlichen Stil, der mich eher abstößt. Oftmals sind Motive und Bearbeitung zu trivial oder zu übertrieben. Motive, die man mal aufnimmt, um sie Zuhause zu zeigen und sich zu amüsieren, aber nichts, was ich unbedingt in einer Ausstellung sehen möchte. Vielleicht stehe ich damit aber auch völlig allein da.
Da ist das Motiv eines Schriftzugs in einem Bilderrahmen. Ein Einsatz, der mitverkauft wird. Quasi das Deckblatt mit Preis- und Firmenaufdruck. Finde ich auch lustig, das Motiv ist aber nichts, was mir mehr gibt. Andere Motive stoßen mich eher ab. Da wird eine Frau am Strand fotografiert. Nicht die perfekte Strandfigur, dazu eine große gelbe Tüte, ihr knallroter Badeanzug, der auf einer blauen Decke liegt. Gibt mir nichts. Verschreckt mich eher. Finde ich auch qualitativ nicht gut. Und wer hat nicht schon mal lustige Bäume, seine Obstschale oder Müllsäcke fotogafiert.
Einzig die Nonne, die den Müllcontainer schiebt, gefällt mir. Der Rest ist so austauschbar und findet sich dutzendfach auf lustigen Seiten im Internet. Als schlechte Memes. Fehlt eigentlich nur ein lustiger Spruch in der komischen Schriftart, der darüber angebracht wird. Da sind die Haikus schon deutlich künstlerisch wertvoller. Sie sind für mich die wahre Kunst.
Ist das Kunst oder kann das weg?
Nun gut. Lars Eidingers Bilder sind nicht unbedingt mein Fall. Haben wir nun alle kapiert, denke ich. Überrascht hat mich, wie bereits erwähnt, dass er oftmals einen guten Blick für bestimmte Situationen hat. Aber es ist auch für meinen Geschmack einfach viel Belangloses dabei. Da stellt sich mir halt immer noch die Frage: Stellt man seine Bilder und Videos aus, weil man diese alltäglichen Schnappschüsse wirklich für künstlerisch wertvoll hält? Dann müsste man so vielen Menschen auf Instagram eigentlich eine Möglichkeit zum Ausstellen bieten. Denn viele Motive sind beliebig und sehen wie der 08/15-Feed zufälliger Privatpersonen auf Instagram aus.
Oder stellt man das aus, weil eben das Etikett des exzentrischen Schauspielers in Form von Lars Eidinger dran klebt? Weil man sich mehr Besuchende erwartet? Mehr Einnahmen (was legitim ist)? Das würde ich von den Museen mal gerne ehrlich beantwortet bekommen. Interessiert mich wirklich – und dann auch die betriebswirtschaftliche Aufarbeitung am Ende, ob es wirklich etwas gebracht. Soweit man so etwas überhaupt messen kann.
Besonders flach fand ich die riesigen Drucke, Poster mit weißem Rand oben und unten, nur mit ein paar Reißzwecken befestigt. Qualitativ hatte ich bei einigen Motiven das Gefühl, dass man zwar von einem Smartphone diese Größe drucken kann, aber das Motiv nicht unbedingt die Tiefe hergibt. Daher das flache Gefühl. Manche Motive haben einfach fotografisch und inhaltlich für mich keine Tiefe. Vielleicht missverstehe ich aber einfach den Künstler.
Warum Du in “O Mensch” von Lars Eidinger gehen solltest
Nun ja. Kunst hat immer viel mit subjektivem Geschmack zu tun. Ich wollte nicht ausschließen, dass ich mich bei Lars Eidinger irre. Manche Fotos haben mich auch positiv überrascht. Vor allem die in Schwarz-Weiß. Die mag ich. Doch vor allem die farbigen, eindeutig als Smartphone-Schnappschüssen identifizierbaren, finde ich hingegen austauschbar, belanglos und das Geld für den Eintritt nicht wert. Ich verstehe weiterhin den Hype um Lars Eidinger nicht. Dennoch bereue ich es nicht, das K21 besucht zu haben.
Bis zum 26.01.2025 hast auch Du noch die Chance, Dir in Düsseldorf ein Bild von Lars Eidingers Foto- und Videokunst zu machen. Was ist eigentlich Deine Meinung bisher zu dem westberliner Schauspieler? Schreib es mir gerne in die Kommentare.
K21 – Kunstsammlung NRW
40217 Düsseldorf
Ausstellungswebsite
31.08.2024 bis 26.01.2025
Öffnungszeiten
Dienstag-Sonntag, Feiertag 11-18 Uhr
Montag geschlossen
Einzelticket (K21 Sammlung und Ausstellungen): 14 Euro
Kombiticket (K20 und K21): 20 Euro
Stand: Januar 2025
Fotos: Die Fotos im Beitrag unterliegen meinem Urheberrecht. Diese und weitere Fotos sind auf Flickr zur Inspiration zu finden. Die darauf gezeigten Werke unterliegen dem Urheberrecht von Lars Eidinger. Die künstlerische Gestaltung/Hängung unterliegt dem Urheberrecht des K21 Düsseldorf.
Offenlegung: Ich war aus eigener Motivation in Düsseldorf und habe den Eintritt selbst bezahlt.
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