Langsam kehrt etwas Normalität ein ins Kulturleben. Zwar mit Kontaktnachverfolung und noch vielen Auflagen, aber dennoch können viele Kulturstätten so nun regelmäßig wieder Programm und Konzerte veranstalten. Das GOP Essen kann bereits das zweite Programm “nach Corona” anbieten – “WunderBar”, das bis zu 7. November 2021 lief.
Eigentlich treffen sich in der “WunderBar” einige Künstler:innen, weil die Bar schließen soll. Ein Oligarch aus Minsk kauft die Gegend rund um die Bar auf und gentrifiziert diese. Daher muss die Bar nun schleßen. Ein letztes Mal treffen die Künstler:innen aufeinander und begeistern mit ihrem Können, hoffen auf ein Wunder. Diese sind hier nicht selten.
Abschied von der WunderBar
Vor allem die Besitzerin, die mit ihren Schlaghosen frisch aus den 1970ern entschlüpft zu sein scheint. Sie zelebriert den Abschiedsabend der “WunderBar”.
Zuerst wirbeln zwei Herren (Duo Fabulous) sich gegenseitig zu den eingängigen Rhythmen von Galvanize der Chemical Brothers durch die Luft (Ikarische Spiele). Vor allem der kleiner der beiden schafft Höhen, die einem ein wenig verzweifelt zurück lassen, ob er nicht gleich an der Decke kratzen wird.
Ava, die Dame in Grün
Dann hat das erste Mal die Dame in Grün ihren großen Auftritt. Ava ist eine Femme fatale, wie sie im Buche steht. Allein das Kleid ist schon ein Hingucker und gibt hochgeschlitzt den Blick auf ihre schwarzen Nylonstrümpfe frei. Dazu bewegt sie sich grazil und fast wie in Zeitlupe. Leider merkt man schnell, dass sie eher schön als intelligent ist. Bald stellt sich heraus, auch sie wohnt in dem Haus und ist jeden Abend in die WunderBar anzutreffen.
Die Seventies-Sängerin und Clubbesitzerin merkt an, Ava sehe immer noch aus wie am ersten Tag, als die Sängerin ein kleines Kind war und das erste Mal in der Bar sein durfte. Als ob die Dame jeden Abend auf Eis in einer Kühltruhe gelegt werden würde. Sie habe auch immer eiskalte Händchen… ist sie hier etwas Großem auf der Spur?
Zurück in die Vergangenheit
Die Sängerin erzählt auch weiter aus ihrem Leben, als sie noch klein war und die Bar noch ihrer Mutter gehörte. Da saß sie auch schon am Klavier der Mutter und hatte in der WunderBar ihre ersten gesanglichen Auftritte. Wir reisen also zurück auf ihrer “Memory Lane” und ein Hauch von Casablanca und Spiel’s noch einmal, Sam weht durch den Saal. Der adrette Kellner muntert mit einer kurzen Schnapsflaschenjonglage die Situation auf und holt das Publikum zurück in die Gegenwart.
Nur um sogleich wieder Platz für das “Deadly Duo” zu machen. Zwei Artistinnen, die zu ziemlich harter Musik Hula-Hoop-Reifen im Dunkeln der Bar kreisen lassen oder sich gekonnt mit einer Flasche Alkohol verbiegen.
Ava tritt erneut ins Rampenlicht der Bühne, um mit ihrem skurrilen und durchaus gewöhnungsbedürftigen Humor die Szenerie aufzumischen. Dabei spielt sie gekonnt mit dem Klischee der verwöhnten Diva, die gerne viel Champagner trinkt. Wobei die Champagnerflasche leider nicht ganz heil bleibt.
Dazu läuft – umso verstörender für mich – Audrey’s Dance aus dem Twin Peaks-Soundtrack von Angelo Badalamenti. Wo ist Agent Cooper, wenn man ihn einmal braucht und überhaupt, Kaffee wäre jetzt auch keine schlechte Idee, um das Gesehene zu verarbeiten. Oder so.
Nur Bares ist Wahres in der WunderBar
Meister Proper putzt so sauber, dass man isch darin spiegeln kann… Doch der glatzköpfige Kellner der Bar hat noch andere Talente. Er erklärt einem neuen Gast charmant, dass in der WunderBar nur BARgeld geht. Typisch Deutsch ist Kartenzahlung nicht möglich. Auch 2021 hat sich da an vielen Stellen nicht viel geändert. Ein veraltetes Gerät könnte sich irgendwo im Keller finden – doch die kommen ja meist mit modernen Karten oder sogar Apple oder Google Pay nicht klar.
Kein Wunder, dass sich der Kunde erstmal auf diesen Schock akrobatisch verbiegen muss (Andalousi mit Equilibristik). Mach ich auch immer… ;) Vor allem zu Sias Elastic Heart. Wie nutzt Du eigentlich so Deine Möbel zu Hause? Fletzt Du Dich noch oder machst Du schon Workout damit?
Auf diesen Schock möchte das verstrahlte Hippiemädchen von Besitzerin dem Kunden einen Schluck aus ihrem 100-jährigen Whisky ausgeben, den er dankend annimmt. Jetzt kommt es am letzten Abend und bei den Ausständen auch nicht mehr darauf an, denkt sie sich.
Keine Macht den Drogen!
Währenddessen meditiert sie sich in andere Sphären. Ihr erscheint ein buddhistischer Mönch in einer Unterwasserwelt sowie ein kleiner Mann ohne Kopf, bekleidet in einem grauen Mantel, der erst einige Klimmzüge an einer Schaukelstange vollführt, um sich dann in eine wunderschöne Artistin (Annika Hemmerling) zu verwandeln. Kinders, keine Macht den Drogen! Doch David Lynch wäre sicherlich stolz auf euch, ob dieser Szene. Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.
Die Akrobatin schwingt sich gekonnt am Trapez zu dem Kiewer Musikprojekt ДахаБраха (DachaBracha) und ihrem Song Salgir Boyu (2016) in die Lüfte – nur um Ende wieder der lustige kleine Mann zu werden. Doch dazwischen genieße ich die eindrucksvolle Trapezakrobatik.
Ob sich die Probleme der Barbesitzerin in Luft auflösen werden wie ihre Vision? Erstmal mischt Ava wieder die WunderBar auf. Dies führt zu unvorhersehbaren Ereignissen. Doch Vivian Spiral rettet die Situation mit einer wunderschönen, um nicht zu sagen megacoolen Lichtperformance mit ihrem Luftring.
Hey, Big Spender!
Doch was wäre eine Bar oder Kneipe, wenn nicht irgendwann der Mann mit den Rosen hereinkommt und “Wolle Rose kaufen?” fragt. An diesem Punkt weiß man meist, jetzt ist es Zeit zu gehen oder man verraffsackt vollends.
Doch dafür, das weiß die Frau von Welt, ist es besser, einen großzügigen Kavalier an der Seite zu haben, der die Zeche übernimmt. So wie Klaus aus der ersten Reihe oder der Mann, der mit Karte zahlen wollte. Sie dürfen bleiben, denn “you better get the party started…” – und sie sehen zahlungskräftig aus. ;)
Schwung bringt da – im wahrsten Sinne des Wortes – nun der Kellner TJ Wheels hinein. Er belebt mit einer Jonglage auf Rollschuhen noch einmal die Szenerie. Da hält es keinen mehr auf den Stühlen, wenn in der WunderBar Moves like Jagger oder Pump up the Jam erklingt. In dieser letzten Nummer setzt der sexy Sachse einen letzten Akzent in der allerletzten Sause der WunderBar. Wird ein Wunder eintreten? Sieh selbst und komm ins GOP Essen, um es mit eigenen Augen zu erleben.
Warum Du in die “WunderBar” gehen solltest
Die Show WunderBar vereinigt wunderbare und auch kultige Musik mit perfekter Akrobatik, ist kurzweilig, wenn auch stellenweise schräg. Aber das gehört doch irgendwie auch dazu. Die WunderBar ist halt etwas ganz Besonderes!
Weitere Informationen zu “WunderBar” im GOP Essen
GOP Varieté-Theater Essen
Rottstraße 30
45127 Essen
- Spielzeit: 16. September bis 7. November 2021
- Spieltage: Mittwoch-Sonntag
- Mittwoch, Donnerstag: 20 Uhr
- Freitag, Samstag: 18 sowie 21 Uhr
- Sonntag: 14 sowie 18 Uhr
- Spieldauer: ca. 90 min ohne Pause
Preise
- Mittwoch, Donnerstag (20 Uhr): ab 39 Euro
- Freitag, Samstag (18 und 21 Uhr): ab 44 Euro
- Sonntag (14 Uhr): ab 39 Euro
- Sonntag (18 Uhr): ab 44 Euro
Aktion “Kids für Nix”-Special: Während der Herbstferien in NRW ist ein Kind bis 14 Jahren in Begleitung eines vollzahlenden Erwachsenen kostenlos ins GOP Essen zu allen Vorstellungen von “Wild Boys” eingeladen.
Empfehlenswert: 2- oder 3-Gänge-Menü (90 min vor Showbeginn an ihren Plätzen)
ab 17,50 Euro/Person zzgl. zum Eintritt
Nachfolgende Shows
- Circus: 11.11.2021 – 09.01.2022
- NEO: 13.01.-06.03.2022
Fotos: Die Fotos stammen von Simon Bierwald für das GOP und unterliegen seinem Urheberrecht.
Offenlegung: Ich wurde zur Pressepremiere vom GOP Essen eingeladen. Meine Meinung blieb davon unbeeindruckt.
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