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Dieser Bericht ist eher ein Reisetagebucheintrag geworden. Ich hoffe, Du magst ihn trotzdem.
Mein Traum – Nobelpreisträgertagung Lindau
Seit meinem Chemiestudium an der JLU in Gießen wollte ich da immer einmal Mäuschen spielen. Nur einmal bei den Nobelpreisträgern und ihrer jährlichen Konferenz in Lindau dabei sein. Doch nur die Besten der Besten Nachwuchswissenschaftler (mittlerweile aus aller Welt, nur 100 der rund 600 kommen aus Deutschland) schaffen es, dass ihre Bewerbung erfolgreich ist. Meist werden Doktoranden und Post-Docs mit Erfolg versprechendem Forschungsgebiet nach Lindau geschickt.
Ich kann mich auch nur an eine Mitstudentin aus Gießen erinnern, die jemals dabei aus unserem Studiengang und von unserer Uni dabei war. Später war sie übrigens am MIT, jetzt arbeitet sie bei einem deutschen Chemiekonzern. Vielleicht keine künftige Nobelpreisträgerin, aber eine von den Überfliegern, die immer Top Leistungen und Noten ablieferten. Ich war immer höchstens der Zweier-Durchschnittskandidat. Vielleicht auch ein Grund, warum ich in diesem Feld mich nach den bestandenen Diplomprüfungen nicht weiter behaupten wollte und nach der Exmatrikulation mich der digitalen Kommunikation widmete. Denn die bescherte mir jetzt auch die Teilnahme an zumindest einem Tag des Nobelpreisträgertreffens, dem Abschlusstag mit der Nobelpreisträgerfahrt über den Bodensee. Das Landesmarketing des Landes Baden-Württemberg ist nämlich der Meinung, ich sei als Blogger mit einer gewissen Reichweite auf Twitter, Facebook und Co. ein sogenannter Influencer, der es wert ist, zu so etwas eingeladen zu werden. Vielleicht hatten sie auch einfach nur Respekt vor meinem Chemiestudium. :D
Lindau, die Insel im Bodensee
Dafür reiste ich rund 7 Stunden (mit Verspätung wurden es eher 8) mit dem Zug nach Lindau an den Bodensee. Ein wunderbares Fleckchen Erde auf einer Insel gelegen, einer der wenigen Städte weltweit. Die Insel mit ihren rund 3.000 Einwohnern ist nur über drei Wege zu erreichen: mit dem Auto/Fahrrad/zu Fuß über die entsprechende Brücke, mit dem Zug über eine Eisenbahnbrücke oder mit dem Boot über den Bodensee. Bei letzterem fährt man in den kleinen, aber beeindruckenden Hafen mit Leuchtturm und bayrischem Löwen ein. Ja, richtig. Bayrisch. Oft wird vergessen, dass dieses kleine Eiland zu Bayern gehört, auch wenn der Großteil des Bodensees auf deutscher Seite zu Baden-Württemberg gehört.
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Über den Bodensee: Nobelpreisträgerfahrt Lindau – Mainau
Das Treffen der Nobelpreisträger, welches dieses Jahr zum 65. Mal stattfand, wurde 1951 von Lennart Bernadotte ins Leben gerufen. Der schwedische Adlige, der durch eine Erbschaft von seiner Großmutter die Insel Mainau bekam, verwandelte die kleine Insel bei Konstanz in das heute bekannte Blumenparadies. Daher ist es schon etwas verwunderlich, dass die Konferenz in Lindau stattfindet. Doch 1951 hatte Konstanz und Umgebung wohl nicht die räumlichen Möglichkeiten, solch ein Treffen auszurichten und man wich auf die bayrische Seite aus. Um die Verbindung zwischen beiden Inseln zu demonstrieren und die Mainau auch zu einem Treffpunkt der Wissenschaftler und des Nachwuchses zu machen, gibt es jedes Jahr am letzten Tag der Konferenz eine Überfahrt von Lindau zur Blumeninsel (die sog. „Nobelpreisträgerfahrt„).
Auf der österreichischen MS Sonnenkönigin, die dafür aus Bregenz anreist, ging es für die Nachwuchswissenschaftler und auch für mich um 07:15 Uhr los. Die Nobelpreisträger wurden in Bad Schachen gegen 08:00 Uhr abgeholt – also mal wieder zeitig raus und das nach nur knapp 4 Stunden Schlaf der Hitze wegen. Das Leben ist halt kein Ponyhof. Aber was macht man nicht alles, damit ein Traum in Erfüllung geht.
Auf dem Schiff gab es ein offizielles Programm, aber man konnte auch gerne auf dem Sonnendeck oder an der Reling der drei Decks den Fahrtwind und das Wasser genießen. Bei dem heißen Wetter genau das Richtige, auch wenn Sonnencreme definitiv nicht schaden konnte. Fast drei Stunden dauerte die Nobelpreisträgerfahrt zur Mainau – genügend Zeit für Networking und Austausch mit den wissenschaftlichen Partnern des Landes Baden-Württemberg, die sich auf dem 1. Deck präsentierten.
Ich unterhielt mich dabei ganz angeregt mit einer Australierin, die die Assistentin von Nobelpreisträger Prof. John Robin Warren (NP 2005 in Medizin für Entdeckung von Magengeschwüren verursachenden Bakterien) ist. Sie erzählte mir, dass sie den Professor häufiger auf Reisen begleitet. Wir unterhielten uns über Wein, ihren Garten und ihre Enkelkinder. Zwischendurch fragte sie mich, woher ich denn sei – sie war sehr erstaunt, dass ich nicht aus den Staaten war. Anscheinend ist mein Englisch in den Augen von Australiern ausreichend und mit genügend Akzent versehen. :D
Auch die Liebe zur Fotografie des Professors kam zu Wort, der mir gegenüber saß, sich mit einem Nachwuchswissenschaftler angeregt unterhielt und eine Nikon D800 vor sich auf dem Tisch liegen hatte. Leider schaffte ich es nicht mehr, mich mit ihm über Nikon und Fotografie zu unterhalten.
Dennoch war ich nicht unglücklich darüber. Es war interessant, die doch zum Teil sehr alten Wissenschaftler im Gespräch mit Nachwuchswissenschaftlern zu erleben. So begab sich Prof. Harry Kroto (NP 1996 in Chemie für Fullerene) ständig in seinem elektrischen Rollstuhl nach draußen, um inmitten der jungen Leute zu sitzen – und er hatte sichtlich Spaß dabei!
Auf der Mainau ging es aber hochoffiziell weiter. Nach der Begrüßung durch Gräfin Bettina Bernadotte ging es mit einer Podiumsdiskussion weiter. Diverse Fragestellungen wurden von Nobelpreisträgern aus unterschiedlichsten Gebieten beantwortet. José Manuel Barroso, ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission, betonte in seiner anschließenden Rede die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Politik. Doch der Moment des Tages und der ganzen Tagung war, als die erste Mainauer Deklaration nach 1955 bekannt gegeben wurde. Insgesamt 36 Nobelpreisträger haben sich für mehr Klimaschutz zusammen getan und die Mainauer Deklaration zum Klimawandel unterzeichnet.
Swinging Nobelpreisträger
Darauf konnte man bei der Rückfahrt nach Lindau auch mal einen trinken – oder auch das Tanzbein schwingen. Die Band „Martin Stark and Friends“ heizte den Gästen gut ein und wie es ein Gast der Tagung so trefflich formulierte: es war ein bewegender Moment, denn es tanzten Nachwuchswissenschaftler und Nobelpreisträger (u.a. der Friedensnobelpreisträger 2014 Kailash Satyarthi) aus allen Ländern, jeglicher Religion, Hautfarbe und Geschlechts friedlich und ausgelassen miteinander. Was für ein wundervoller Abschluss eines ereignisreichen Tages.
Vielen Dank an das Landesmarketing Baden-Württemberg für die Einladung zur Nobelpreisträgerfahrt und die Erfüllung meines Traums.
Meine Meinung bleibt davon dennoch unbeeindruckt.
P.S.: Achtung, die Fachbereichsseite der Uni Gießen hat ein Design von vor 10 Jahren. Das ist etwas gruselig und entspricht mit Nichten gewohnter User Experience. ;)
Liebe Romy,
das Chemiestudium hat uns in der Tat beeindruckt ;-)
Danke für den tollen Artikel! Schön, dass wir dir einen Traum erfüllen konnten und dir die Nobelpreisträgerfahrt gefallen hat.
Viele Grüße,
das BWjetzt-Team