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Kennst Du das: Du scrollst durch Facebook und plötzlich bleibst Du an einer Veranstaltung hängen, weil Dich das Veranstaltungsbild oder der Titel direkt anspricht? Mir ging es so bei der Einladung zur Vernissage von Norman Seeff- The Look of Sound des MAKK (Museum für Angewandte Kunst Köln) so. Vom Veranstaltungsfoto lächelte mir Ray Charles in Schwarz-Weiß entgegen. Das Bild kam mir sehr bekannt vor. Doch der Name des Künstlers, um den es sich in der Ausstellung dreht, sagte mir nichts. Das weckte meine Neugier und zur Vernissage war ich beruflich eh in Köln. Perfekt. Auf “Interessiert” geklickt – und es dann erst einmal wochenlang vergessen.
Dann meldete sich eine Freundin, die ebenfalls die Vernissage entdeckt hatte. Der große Vorteil von Facebook: man sieht, wer interessiert ist und kann sich vorab austauschen. Das taten wir. Plötzlich hatte ich nach zwei anstrengenden Messetagen in Köln einen wunderbaren Ausklang in Form einer Vernissage mit Steph im Kalender.
Die Vernissage – Ausstellungseröffnung am 12.09.2019
Die Vernissage war recht voll. Ein gutes Zeichen, wenn eine Ausstellungseröffnung so gut angenommen wird. Nicht nur, dass die Ausstellung vorab kostenlos besucht werden kann. Ich sah hier ernsthaftes Interesse an den Fotos und dem Thema, das vorab in einer Einführung den Gästen näher gebracht wurde. Am Ende saßen wir bei lauem Spätsommerwetter noch im Innenhof bei einem Glas Wein. Was kann es Besseres geben, einen Tag ausklingen zu lassen als mit Freunden, guten Fotos und Wein.
Norman Seeff – die Anfänge
Norman Seeff, südafrikanischer Arzt mit fotografischen Ambitionen und im Konflikt mit dem Apartheitsregime, reiste 1968 nach New York – und blieb. Illegal eingewandert, landete er schnell bei Andy Warhol und seiner Factory. Dieser wiederum brachte ihn mit anderen Künstlern, vor allem Musikern, in Kontakt. Nur mit seiner Kamera um den Hals und einem Koffer in der Hand, hatte er anfangs wenig, womit er arbeiten konnte. Ohne Studio schuf er aber die etwas anderen Fotos von Musikern und Künstlern, wie die der jungen Patti Smith und Robert Mapplethorpe oder von Andy Warhol selbst. Damit und mit ersten Werken aus Südafrika startet die Ausstellung im Obergeschoss des MAKK.
Bald ergaben sich weitere kleinere Fotoarbeiten. Doch seinen Durchbruch verdankt er einem Foto, welches er selbst nicht für gut befunden hat und nur beschämt in einem Briefumschlag unter der Tür durchschob. Er hatte 1969 den Grafikdesigner von Columbia Records, Bob Cato, kennengelernt. Das Foto von The Band, der “Begleitband” von Bob Dylan, war sein erster Auftrag und sollte das Cover für deren Album “Stage Fright” werden. Den Rechtsverkehr in Amerika nicht gewöhnt, wohl auch zugedröhnt und viel zu spät dran fuhr er nach Woodstock.
Die Band zurecht verärgert, Seeff überfordert, entstand ein Foto, in dem im Hintergrund der Blitzschirm zu sehen ist. Etwas, wofür er sich erst schämt, was aber später durchaus zu einem Markenzeichen und Stilmittel werden sollte, wie ich beim genaueren Betrachten vieler Fotos der Ausstellung feststellte – vor allem bei Frank Zappa. Doch das Foto gefiel. So zierte das Bild nicht nur das Cover, sondern landete auch als Poster im Album – und somit schlagartig an unzähligen Wänden.
Wenn der Moment echt und lebendig war, wirkte das Bild echt und lebendig.
Dank Rolling Stones vom Grafikdesigner zum freien Fotografen
Norman Seeff gelang mit diesem Plattencover der Einstieg in die Musikszene, in der er erst als Grafikdesigner von Columbia Records in New York und anschließend (1972) zum Art Director von United Artists Records in Los Angeles aufstieg. Er schuf Plattencover abseits des bisher Gekannten. Keine Livefotos oder steife Promobilder, sondern spontan wirkende, authentische Fotos der Künstler. Er kam den Musikern so nah wie kaum ein Anderer. Damit prägte er den Stil des Rock’n’Rolls maßgeblich mit und beeinflusste mit seiner Bildsprache eine ganze Generation an Fotografen. Die Ausstellung zeigt daher auch seltene grafische Entwürfe von Covern.
Rock music was the new religion and I was creating devotional icons.
Als Art Director von United Artists beschritt Norman Seeff sofort neue Wege, arbeitete mit Freelancern und schuf ikonische Cover u.a. für Kiss (Hotter Than Hell). Doch schon für das Rolling Stones Album Exile on Main Street, welches auch fotografisch die Klammer der Ausstellung bildet, arbeitete er trotz Vertrag bei United Artists als freier Fotograf. Das Shooting mit Mick Jagger, Keith Richards & Co. wurde somit der Auslöser für seine Selbständigkeit als Fotograf. 1974 eröffnete er auf dem Sunset Boulevard in L.A. sein erstes Studio.
The Session Project
Nur ein Jahr später begann Norman Seeff, die Fotosessions auch filmisch zu begleiten. Seine ersten Aufnahmen stammen von einer vielsagenden Session mit Ike & Tina Turner, die auch auf einem Monitor unterhalb der entstandenen Fotos im MAKK gezeigt werden. So stylisch Ike Turner auf den Fotos rüberkommt, so unsympathisch zeigen ihn die Filmaufnahmen, die seine Dominanz und Aggressivität gegenüber Tina Turner ahnen lassen.
Weitere Filmaufnahmen zeigen unter anderem Isaac Hayes (“Shaft”), Al Green oder Joni Mitchell. Später widmete er sich auch Interviews, wie z.B. mit Alicia Keys. Scheinbar mühelos kommt Norman Seeff mit seinem Gegenüber ins Gespräch, lässt sie sich ausleben, ob singend oder tanzend. Alles eine Ablenkung vom eigentlichen Zweck des Treffens – dem Fotografieren. Es sieht leicht aus, doch ist harte Arbeit. Alles, um mehr Tiefe in den Portraits zu erreichen. Weg von der Oberflächlichkeit des Fotos, was schon Richard Avedon als die ultimative Herausforderung beschrieben hatte.
Doch es hat sich gelohnt. Norman Seeffs Bilder wirken nie gestellt, der Blick der Portraitierten ist offen und meist entstanden eine Reihe von Fotos, die die einzigartigen Momente einer Fotosession davor, danach oder daneben erzählen. Mit Equipment, welches im Hintergrund zu sehen ist oder mit Assistenten, die Haare richten wie bei Whitney Houston. Er war sicherlich nicht der Erfinder dieser Stilmittel, Dinge unvollkommen zu zeigen, doch er bereitete den Weg dafür. Die Ausstellung zeigt bewusst diese Fotos, die die Wirkung der Portraitierten noch verstärken und Norman Seeffs Schaffen charakterisieren.
Norman Seeff – The Look of Sound
Doch nicht nur Musiker fanden sich bei Norman Seeff zum Shooting ein. Auch Schauspieler, Regisseure und andere Ikonen des kulturellen Lebens kamen ihm vor die Linse. Dabei bildete das Motto “The Look of Sound” auch bei diesen Bildern die thematische Klammer. Irgendwie dreht sich doch alles um den Sound. Sound in Form des gesprochenen Wortes durch Schauspieler wie John Travolta oder in Form des ersten Macintosh, den der junge Steve Jobs stolz in seinem Haus auf seinem Schoß präsentiert. Eine gelungene Auswahl an u.a. Vintageprints, die einen Einblick in die Musik- und Zeitgeschichte der 1970er bis in die jetzige Zeit geben.
Meine Favoriten sind dabei eindeutig die Bilder, auf denen ich die heute weltbekannten Künstler wie Chaka Khan oder Quincy Jones kaum erkannt habe. So jung, so früh, so anders zu den mir bekannten Aufnahmen ist das Werk Norman Seeff und genau deswegen solltest Du diese Ausstellung schon einmal auf keinen Fall verpassen! Ich selbst habe sie einige Tage später noch einmal auf eigene Kosten und weniger Publikum in Ruhe angesehen.
Noch bis zum 08. März 2020 gastiert die Ausstellung unweit des Kölner Doms im MAKK.
Noch was zur Einstimmung auf die Ausstellung
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Weitere Informationen zu Norman Seeff – The Look of Sound
MAKK – Museum für Angewandte Kunst Köln
An der Rechtschule 7
50667 Köln
13. September 2019 – 08. März 2020
Eintritt
- 5 Euro
- ermäßigt 3 Euro
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag: 10–18 Uhr
An Feiertagen: 10–18 Uhr
(Allerheiligen (1.11.), 2. Weihnachtsfeiertag (26.12.))Langer Donnerstag (1. Donnerstag im Monat): 10–22 Uhr, Führung um 17:30 Uhr, wechselnde VeranstaltungenMontag geschlossen, zudem an Karneval (Donnerstag, 28.2.19, Sonntag und Montag, 3.+4.3.19), Heiligabend (24.12.), 1. Weihnachtsfeiertag (25.12.), Silvester (31.12.) und Neujahr (1.1.).
Die Fotos unterliegen dem Urheberrecht von Simon Bierwald (INDEED Photography) und mir.
Keine Kooperation oder Pressetermin.
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