Zuletzt aktualisiert: 25.11.2023
Delitzsch bei Leipzig – ein wunderschön erhaltene mittelalterliche Kleinstadt mit Barockschloss und vielem mehr, Ritter inklusive.
Aufgewachsen bin ich in der mittelalterlichen Kleinstadt Delitzsch ungefähr 25 km nördlich von Leipzig (und ca. 30 km östlich von Halle/Saale). Ein schönes Fleckchen Erde. Die Leipziger Tieflandsbucht umschmeichelt die Ortschaften mit fruchtbarer Erde und das Wetter meint es Dank Harzer Regenschattens oft gut, aber die Winter können sehr kalt sein.
Delitzsch, mein kleines Idyll, bietet viel Schönheit – doch trotzdem ist es eine kleine Stadt, die oft stillzustehen und somit nicht attraktiv für junge Menschen zu sein scheint. Demografie ist halt ein Ar***. Auch mich zog es 1999 weg und daher weiß ich es jetzt mehr zu schätzen, ab und zu in diese kleine, alte Stadt für 2-3 Tage abzutauchen. Wohnen könnte ich dort aber nicht mehr. Dennoch möchte ich euch Delitzsch als Ausflugsziel vor den Toren Leipzigs näher bringen.
Stadtgeschichte und wichtige Bauwerke in Delitzsch
Delitzsch fand erstmals 1166 Erwähnung in den Unterlagen von König Friedrich I., die Besiedlungswurzeln reichen aber bis 5100 v. Chr. zurück. Um 1200 erhielt Delitzsch Stadtrechte. In dieser Zeit wuchs der Ort verhältnismäßig schnell. Aus der alten Slawenburg, auf die sich Delitzsch gründete, wurde eine steinerne Burg. Heute steht an dessen Stelle das Barockschloss, eines der ältesten Schlösser Sachsens.
Außerdem wurde zu Beginn des 15. Jahrhundert mit dem Bau der massiven Stadtkirche St. Peter und Paul begonnen, die knapp 100 Jahre später (1491) fertiggestellt werden konnte. Diese Kirche prägt auch heute noch den Mittelpunkt der sie umgebende Altstadt, die durch eine fast durchgängige Stadtmauer mit Wallgraben sowie zwei Wachtürmen (Breiter Turm, Hallescher Turm) von der restlichen Stadt abgegrenzt ist.
Dieser mittelalterliche Kern ist auch heute noch das touristische Pfand, mit dem Delitzsch wuchern kann. Historisch kannst Du hier gut nachvollziehen, wie mittelalterliche Siedlungen aufgebaut waren. In unmittelbarer Nähe der Stadtkirche St. Peter und Paul befindet sich der Marktplatz, auf dem auch immer noch Handel getrieben wird. Ebenso stehen auf dem Markt das alte sowie das aktuelle Rathaus.
Überall in der Altstadt befinden sich darüber hinaus historische Gebäude, z.B. denkmalgeschützte Bürgerhäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert im Stile des Barock, der Renaissance und der Gotik. Neben den Bürgerhäusern gibt es auch noch andere, historisch interessante und erwähnenswerte Häuser im Altstadtkern, z.B. das Ritterhaus, die Alte Lateinschule sowie das Stadtschreiberhaus.
Außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern
Außerhalb der Stadtmauern schließt sich auf der Westseite, in unmittelbarer Nähe des Halleschen Turms, die Hospitalkirche St. Georg an. Da Kranke/Siechende im Mittelalter nicht innerhalb der Stadt verweilen durften, wurden sie außerhalb der Stadtmauern versorgt.
Auf der Ostseite befindet sich in der Nähe des Breiten Turms der Rossplatz mit historischer Postsäule, die auf Anweisung von August dem Starken aufgestellt wurde. Sie wurde 1730 als Distanzsäule gesetzt und ist heute die höchste aller erhaltener Distanzsäulen Sachsens. Der Rossplatz diente als Rastplatz für Durchreisende von Leipzig nach Wittenberg. Für die Versorgung sorgt seit über fünf Jahrhunderten das “Weiße Ross”, heute Gaststätte und Hotel.
Des weiteren gibt es das denkmalgeschützte Scharfrichterhaus in der August-Fritzsche-Straße. Henker und Scharfrichter sind seit 1619 in Delitzsch nachgewiesen. Aber nicht deswegen ist das Haus von solcher Wichtigkeit. Es ist die einzige noch erhaltene bauliche Anlage einer Scharfrichterei im gesamten mitteldeutschen Raum.
Naherholung in Delitzsch
Was ich besonders an Delitzsch mag, das sind die vielen Grünflächen und Möglichkeiten der städtischen Naherholung. Allein ein Spaziergang direkt am Wallgraben entlang (zum Großteil nur für Fußgänger und Fahrradfahrer freigegeben), der Blick auf die anliegenden Zwingergärten, eventuell sogar eine Bootsfahrt auf dem Wallgraben oder die Entenfamilie von einer Parkbank aus beobachten – Entspannung pur.
Wem das nicht reicht, der läuft durch den Rosengarten oder den neun Hektar großen Stadtpark. Der Stadtpark mit dem zentralen Treffpunkt Brunnen der Genesung (eigentlich eine Statue inmitten des Brunnens, genannt Genesung) ist über die Jahre zu einem Landschaftspark mit bis zu 120-130 Jahre alten Bäumen geworden.
Ein besonderer Platz zur Naherholung ist der Barockgarten am Schloss. Er wurde ursprünglich 1692/93 nahe dem Witwensitz derer zu Sachsen-Merseburg angelegt und gilt somit als einer der frühesten Barockgärten Deutschlands. Zu DDR-Zeiten standen auf dem Gelände zwei Baracken – in der einen war mein Kindergarten untergebracht, in der anderen arbeitete eine zeitlang meine Mutti für den Rat des Kreises (Landratsamt).
Von 1996 bis 2000 wurde der Barockgarten aufgrund der Originalpläne rekonstruiert und ist jetzt vor allem als Fotomotiv, z.B. bei Hochzeiten im nahegelegenen Schloss, bei Jung und Alt beliebt. Im Schloss gibt es übrigens jedes Jahr einen Termin für eine “Besondere Hochzeit” im historischen Stil, liebe Verlobte! ;)
Immer auch einen Ausflug wert: der kleine Tiergarten im Rosental. Als Kind war ich oft dort, vor allem zu Ostern, wenn jeder im Tierpark nach Eiern und Süßigkeiten suchen konnte. Weiß gar nicht, ob das heute noch gemacht wird. Ich erinnere mich nur zu gerne daran zurück.
Naherholung außerhalb von Delitzsch
Außerhalb von Delitzsch befinden sich einige renaturierte Braunkohletagebaulöcher. Allen voran die Goitzsche in Richtung Bitterfeld ist ein beliebter Ausflugsort – also die Seenlandschaft süd-östlich von Bitterfeld. An der Marina des Bernsteinsee (heute: Großer Goitzschesee) lässt sich ab und zu – wie der Name vermuten lässt – auch etwas Bernstein finden.
Doch auch der Werbelinersee zwischen Delitzsch und Leipzig ist ein beliebtes Ausflugsziel. Das Naturschutzgebiet lohnt für einen langen Spaziergang. Einen Parkplatz gibt es direkt in der Nähe.
Lesetipp: Gabriele und Michael haben neben der Goitzsche und dem Barockschloss noch mehr Tipps entlang der A9 zwischen Leipzig und Berlin anhand der braunen Hinweisschilder gesammelt. Beides kommt zwar nicht ganz so gut bei den beiden Weg, aber das ist wie alles im Leben ja immer subjektiv, was einem gefällt.
Kultureller Höhepunkt: das Peter & Paul Fest
Ganz in der Tradition der Schutzpatrone der Stadtkirche findet jährlich das Peter & Paul Fest statt. Es findet immer am Wochenende des oder am Wochenende nach dem Peter & Paul-Tag (29. Juni) statt. Für 2024 ist es voraussichtlich vom 28.06. bis 30.06. geplant und Du kannst dabei Tradition und Historie in Delitzsch in einem einmaligen Stadtfest erleben.
Eröffnet wurde das Stadtfest traditionell am Freitag, 12 Uhr, wenn an der Stadtkirche der Apfelbiss erfolgt. Dabei beißt bei diesem mechanischem Schauspiel Adam in dem von Eva gereichten Apfel. Aktuell kann ich dazu aber nichts Genaues finden. Doch viele andere Aktionen, wie die Schlüsselübergabe vom jetzigen an den historischen Bürgermeister oder die Eröffnung des mittelalterlichen Marktes (17:30 Uhr) sind geplant.
Das Highlight bildet aber sicherlich der historisch Festumzug in traditionellen Kostümen, der mittlerweile bis zu 1.300 Mann stark sein kann. Aber auch musikalisch gibt es einige “Highlights” für die Besucher. Witzig finde ich die Idee der Wallgrabenregatta. Da wäre ich doch gerne Zaungast.
Es wird einen historischen Peter & Paul-Markt geben sowie historische Darstellungen, u.a. die Sage der Türmerstochter, die mit ihren Signalen die Stadt vor den herannahenden Schweden während des 30-Jährigen Krieges warnte und so die Stadt vor Plünderung und Brandschatzung beschützte.
Dazu wird meist das lokale Bier gereicht: Ur-Krostitzer. Seit 1534 wird es ca. 15 km außerhalb von Delitzsch im kleine Örtchen Krostitz gebraut. Die Flaschen sind mit dem in der gegen Wallenstein geführten Schlacht vor Lützen (in der Nähe von Leipzig, in Sachsen-Anhalt gelegen) verstorbenen schwedischen König Gustav II. Adolf verziert. Solltest Du mal probiert haben, wenn Du feinherbes Pilsener mag. Mittlerweile gehört die Brauerei zur Radeberger Gruppe.
Wissenswertes & Triviales zur Stadt
Gegenüber meiner alten Schule steht immer noch die Schokoladenfabrik. Zu meiner Zeit gab es dort immer einen Werksverkauf. Auch heute noch kannst Du Delitzscher Schokoladen Montag bis Freitag von 10-13 Uhr sowie 13:30-17 Uhr, am Samstag 10-16 Uhr im Fabrikverkauf erwerben. Kleine Berühmtheit erlangte die “Schokobude” durch die Herstellung von Kamelle für den Karneval.
Dem größten Delitzscher, Hermann Schulze-Delitzsch, hat die Stadt ein Denkmal am Marienplatz sowie ein Museum in der Kreuzgasse 10 gewidmet. Schulze-Delitzsch gilt neben Friedrich-Wilhelm Raiffeisen als der Gründer des Handwerkergenossenschaftswesens sowie der Genossenschaftsbank. Die Genossenschaftsidee wurde 2014 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO erklärt.
Delitzsch ist energieautark und trägt den Titel “Energiesparstadt” (Auszeichnung European Energy Award in Gold), 2010 ausgezeichnet als energieeffiziente Stadt durch die damalige Bundesforschungsministerin Annette Schavan.
Besonders interessant soll auch der kleine jüdische Friedhof sein. Leider habe ich als Jugendliche das nicht zu schätzen gewusst und auch bisher habe ich nie die Zeit gefunden, mir den Friedhof mit Gedenkstein anzusehen.
Karte von Delitzsch inklusive allen erwähnten Orten:
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Mehr InformationenWarum magst Du Deinen Heimatort? Gibt es eine Besonderheit? Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen.
Allgemeine Informationen zu Delitzsch
Sachsen
Nordsachsenkreis
Autokennzeichen TDO für Torgau-Delitzsch-Oschatz bzw. DZ für Delitzsch
ca. 25.000, verteilt auf Stadt Delitzsch und 15 zumeist eingemeindete Stadtteile
Stadtwappen
Gold mit zwei blauen Pfählen sowie einem schrägen Herzschild mit goldenen, doppelschwänzigen Löwen. Es ist die Vereinigung zweier Wappen – der Wettiner (Landsberger Pfähle) und der Markgrafenschaft Meißen (Löwe).
Anreise
Delitzsch ist gut mit dem Auto und der Bahn zu erreichen. Die Stadt liegt verkehrsgünstig zu den Autobahnen A9 (Berlin-München) sowie A14 (Halle-Dresden) unweit des Schkeuditzer Kreuzes bzw. der B100 (Halle-Bitterfeld). Delitzsch ist von allen Seiten gut ausgeschildert.
Außerdem liegt Delitzsch an der ICE-Strecke von Berlin nach München bzw. Dresden über Leipzig. Es besitzt zwar keinen ICE-Haltepunkt, aber ist sowohl von Bitterfeld (in Richtung Leipzig/Dresden) als auch von Leipzig (Richtung Dessau/Wittenberg) aus mit der S-Bahn erreichbar. Die Haltestelle ist der untere Bahnhof. Auch die S-Bahn-Linie zwischen Halle und Eilenburg bringt Dich nach Delitzsch, dann zum oberen Bahnhof, dessen Bahnhofsgebäude (Historismus) mittlerweile ein kulturelles Zentrum ist (BAFF Theater e.V./Theaterakademie Sachsen).
Essen & Trinken
Delitzsch ist voll von griechischen Restaurants! Ungelogen gibt es mindestens drei Restaurants mit griechischer Küche. Aber mich überzeugt eher das Café Marjuschka (jetzt an neuem Ort in der Eilenburger Straße) mit seinen russischen Spezialitäten. Direkt um die Ecke vom Markt befindet sich mit der No. 2, die Altstadtkneipe mit ca. 200 verschiedenen Whisk(e)ysorten. Ein Unikat von Besitzer inklusive. Auch das Urlaub – meehr Bar (schließt leider Ende 2023) in der Nähe des unteren Bahnhofs ist eines der kulinarischen Highlights in Delitzsch. Mein Lieblingscafé und Eisladen am Markt hat leider Ende 2019 seine Pforten geschlossen. Die Besitzer sind in Rente gegangen. Eine kleine Institution meiner Kindheit. Doch zumindest der Softeisladen in der Breiten Straße existiert weiterhin.
Hoteltipp
Übernachten in Delitzsch als Alternative zu Leipzig? Vor allem, wenn Messe ist, empfiehlt es sich, auch einmal außerhalb von Leipzig nach Hotelzimmern zu schauen. Vom unteren Bahnhof in Delitzsch bist Du mit der S-Bahn in ca. 15 min an der Messe bzw. am Hauptbahnhof in Leipzig.
Hier einige Hoteltipps*. Zoome auch gerne etwas raus, um Dir mehr Möglichkeiten in und um Leipzig anzusehen:
Booking.com*Die Karte wird von booking.com zur Verfügung gestellt und beinhaltet Affiliate-Links (Werbelinks) zu booking.com. Buchst Du ein Hotel darüber, erhalte ich nach erfolgreicher Übernachtung eine kleine Provision.
Eventuell lohnt es sich auch, nach Ferienwohnungen und Bed & Breakfasts Ausschau zu halten.
Fotos: Die hier verwendeten Fotos unterliegen – solange nicht anders angegeben – meinem Urheberrecht.
Offenlegung: Meine Besuche in Delitzsch waren immer privater Natur und selbstfinanziert.
[…] Fests lässt sich nicht leugnen. Gibt es sonst mittelalterliche Umzüge bei Stadtfesten, wie dem Peter & Paul-Stadtfest in Delitzsch, so werden in Paderborn Zeremonien und Prozessionen begangen. Dabei wird unter anderem der […]
Herzlichen Dank für die schönen Eindrücke,
und ja diese Stadt ist etwas besonderes.
Das sage ich als Ehemalige…
bin in die Comeniusschule gegangen,
habe im Karl Marx Haus, kurz “KarlI” genannt, Köchin gelernt
um dann im Ziehwerk in der Betriebsküche zu arbeiten.
Lange vor der Wende, der Liebe wegen, weggezogen,
aber immer wieder gern dort zu Gast.
Nochmal Danke für die schönen Bilder,
Michaela Karge geb. Hensel
Hallo Michaela,
Danke für Deinen lieben Kommentar. Ich bin auch anfangs auf die Commeniusschule gegangen und dann aufs Nord- bzw. Oskar-Reime-Gymnasium.
Meine Oma hat nicht weit vom Karl-Marx-Haus gewohnt. :)
Wohnst Du noch in Delitzsch?
Hallo Romy,
ich bin schon 1989 zu meinenm späteren (und jetzt EX) Man in die Nähe von Potsdam gezogen.
Seir acht Jahren lebe ich in Hamburg, auch eine tolle Stadt.
Zum innehalten, nachdenken komme ich aber immer wieder zu den Wurzeln zurück.
Meine Geschwister leben auch noch vor Ort bzw in der Drehe,
einen besinnlichen Advent mit der Bitte Gesund zu bleiben
Michaela
Dann bist Du wohl etwas älter als ich. ;) Ich bin bis 1999 in Delitzsch gewesen und auch noch Verwandtschaft im Ort. Potsdam ist aber auch schön. Meine Eltern haben dort geheiratet.
Schöne Adventszeit!