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Ich bin so begeistert. Irgendwie gefallen mir die Philharmonischen Konzerte der Dortmunder Philharmoniker, vor allem die Auswahl der Stücke, immer besser. In jedem Programm mischen sich bekannte und eher unbekannte Stücke und bereiten mir unvergessliche Abende. Das 7. Philharmonische Konzert weit_sicht ist da keine Ausnahme.
Der Auftakt von “weit_sicht” – Carl Maria von Weber, op. 79
Zuerst wird das Konzertstück op. 79 von Carl Maria von Weber gespielt. Ich kenne von Weber eigentlich nur durch die Oper “Freischütz”, der ersten Romantischen Oper. Das ist ein Fehler, wie mir schnell klar wird. Auch wenn von Weber sein Konzertstück nicht gern so nennt, ist die Gattung des Tonbildes gut getroffen.
Es ist die Geschichte einer Burgfrau, die lange auf ihren Ritter wartet. Er ist in einer Schlacht im heiligen Land (ein blühender Auftakt der Streicher und Bläser) und wir werden Zeugen all ihrer Ängste, zum Ausdruck gebracht durch Streichertremolo und Klavierkaskaden. Mit einem Fagott wird dann die Rückkehr des Ritters eingeläutet. Dieser marschiert mit jubelnd-ekstatischer Klavierbegleitung ein.
Das ist ein fulminanter Einstieg in den Abend, aber dann folgt für mich das Highlight.
Clara Schumann – Klavierkonzert a-Moll, op. 7
Clara Schumann wird früh von ihrem Vater zum Wunderkind stilisiert. Schon mit neun Jahren tritt sie erstmals im Leipziger Gewandhaus auf. Sie ist eine virtuose Pianistin und fängt früh an, eigene Stücke – vor allem Kammermusik – zu komponieren. Der dritte Satz, das lange und technisch schwierige Finale des Klavierkonzerts, entstand 1834 zuerst als eigenständiges Stück. Bei der Orchestrierung hilft Clara ein älterer Schüler ihres Vaters – Robert Schumann, den Clara später heiratet.
Es ist ein wunderbares Stück. Pianistische Virtuosität, klassische Formen und lyrische Poesie machen das Konzert unvergleichlich. Wenn im zweiten Satz dann das Solocello und der Solopianist übernehmen, schweigt das Orchester andächtig, bis alles mit Pauken und Trompeten in ein furioses Finale übergeht.
Hier spielen mit der Solocellistin der Dortmunder Philharmoniker Franziska Batzdorf und dem Solopianisten Andreas Boyde zwei alles gebende Musiker mit vollem Körpereinsatz zusammen – dies macht diesen Satz noch eindrucksvoller. Doch leider passierte zur Uraufführung im Jahre 1835 das, was Frauen so oft passiert. Clara Schumann spielt selbst Piano und Felix Mendelssohn Bartholdy dirigiert das einzig erhaltene Orchesterwerk der damals 16-Jährigen. Und Robert Schumann, an den die Liebesbotschaft gerichtet und der der Chefredakteur der erfolgreichen „Neue Zeitschrift für Musik“ ist, schickt einen anderen Redakteur, um nicht befangen zu sein.
Dessen Fazit: Von einer ernsthaften Kritik könne keine Rede sein, „weil wir es mit dem Werk einer Dame zu thun haben“. Leider nimmt sich Clara Schumann so etwas sehr zu Herzen und komponiert immer weniger. Schließlich hört sie ganz damit auf – welch ein Verlust für die Welt!
Johannes Brahms – Sinfonie c-Moll, op. 68
Johannes Brahms ist den Schumanns wohl bekannt. Robert Schumann schreibt selbst begeistert, das Brahms der Komponist der Zukunft wäre. Einer, der neue Wege aufzeigt. Denn die Musikwelt ist nach den Sinfonien Beethovens wie gelähmt. Zu sehr steht alles in seinem Schatten. Dann kommt Brahms mit seiner Sinfonie. Doch nicht ohne eine gehörige Portion Respekt. Ganze 14 Jahre benötigt er, um seine Sinfonie zu beenden.
Der Dirigent Hans von Bülow nennt die Sinfonie scherzhaft „die Zehnte“ von Beethoven alias die Erste von Brahms. Denn es gibt viel, was an Beethoven erinnert. Vom Dunkeln ins Licht – also von melancholischem Moll ins freudige Dur. Auch das Finale erinnert sehr an das Freudenthema aus Beethovens Neunter. Das ist Brahms Art, Beethoven Respekt zu zollen – kein Plagiat.
Darüber hinaus beinhaltet die Sinfonie fast alles, was man sich wünscht. Eine imposante Einleitung, Kontraste von Melodien und fast ruppigen Passagen. Immer aber wird den Solisten Platz gelassen. Als der vierte Satz scheinbar nicht von der Stelle kommt, erklingt wie aus der Ferne ein Horn. Das reicht für neuen Schwung. Auch das ein Verweis auf die großartige Zusammenstellung des Abends, denn genau dieses Hornthema hatte Brahms acht Jahre vor der Fertigstellung der Sinfonie an Clara Schumann geschickt. Auf einer Postkarte zu ihrem Geburtstag mit dem Text: „Hoch auf´m Berg, tief im Tal, grüß ich dich viel tausend mal“. Irgendwie also doch ein Clara-Schumann-Abend – ein Abend mit “weit_sicht”.
Ich liebe Brahms Symphonien. Bringt mich dazu, über Dinge nachzudenken.
Brahms ist wirklich wunderbar für solche Dinge.