Ist jeder halbwegs bekannte Mensch jetzt ein:e Künstler:in? Da immer mehr Schauspieler:innen, Musiker:innen und anders prominente Menschen sich erfolgreich künstlerisch betätigen, widmet ihnen das NRW-Forum Düsseldorf bis 24. Januar 2024 die Ausstellung “Beyond Fame – Die Kunst der Stars”.
- Einfluss von Karriere auf Kunst
- “Beyond Fame” – meine Favoriten
- Offensichtliches bei “Beyond Fame”
- Überraschendes bei “Beyond Fame”
- Altbekanntes – Bryan Adams
- Pete Doherty – Star und Zugpferd?
- Skandalööses und (weniger) Beeindruckendes
- Warum Du in “Beyond Fame” ansehen solltest
- Reformulierung – Made in Düsseldorf #5
- Weitere Informationen zu “Beyond Fame”
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Wir neigen dazu, Menschen in bestimmte Schubladen zu stecken. Hat sich eine:r zu einem erfolgreichen Menschen zum Beispiel im Bereich Schauspiel, Musik, Sport oder Politik gemausert, so sprechen wir gerne andere Talente – und im Sport gerne auch Intelligenz – ab. Dabei sind diese Menschen genauso vielseitig interessiert und begabt wie Du und ich.
Okay, schauspielernde Sänger:innen oder singende Schauspieler:innen kennen wir bereits zur Genüge. Oftmals mit mäßigem Erfolg. Manche Aktionen sind reine PR-Gags. Warum also nicht bildende Kunst? Die wenigsten Künstler:innen in der Ausstellung “Beyond Fame” haben dabei jahrelang Akademien besucht. Sie begannen meist als Autodidakt:innen. Manche stellen bereits seit Jahren aus, andere Dank des NRW-Forums zum ersten Mal. Doch was ist ihr Motiv, mit ihrer Kunst jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen?
“Beyond Fame” will dieser und anderer Fragen nachgehen. Handelt es sich um Selbstfindung oder die Suche nach weiteren Erfolg auf einer anderen Bühne? Wie eng ist dabei die Biografie mit dem Werk verbunden, mit der Wahl der Medien? Dabei präsentiert das NRW-Forum Düsseldorf 18 nationale und internationale Künstler:innen, wie Bryan Adams, Meret Becker, Tim Bendzko, Carlito (Cro), Samy Deluxe, Harald Glööckler, Grimes, Anton Hofreiter, Jean Remy (von Matt), Michael Stich, Anna Delvey oder Pete Doherty mit ihren Werken aus Malerei, Fotografie, Video und Installationen.
Einfluss von Karriere auf Kunst
Um die schubladenförmigen Denkweisen der Besuchenden direkt aufzubrechen, beginnt die Ausstellung mit den Werken von Josephine Henning, einer ehemaligen Fußballspielerin. Sie spielte bis 2018 u.a. beim VfL Wolfsburg, bei Paris Saint-Germain, Olympique Lyon und Arsenal und für die deutsche Nationalmannschaft. Parallel widmete sie sich der bildenden Kunst, malte, gestaltete. In ihrer Kunst geht es daher auch wie in ihrem Leben um die Gegensätze.
Ihre Inspiration liegt dabei auch in den lang gehegten Meinungsbildern, denen sie z.B. unweigerlich in ihrem Sport ausgesetzt war, und ihrer Veränderung. Doch am allermeisten, so beschreibt sie es in ihrem Interview, welches in der Ausstellung bei ihren Werken hängt, inspiriert sich der Instinkt bzw. das Fehlen von Instinkt. Der Sport spielt aber immer noch eine Rolle für Josephine Hening. Wie in der Statue “Meant to bond”, die 2019 aus gesammelten Fußballschuhen entstand, zu sehen ist.
Direkt daneben hängen Bilder von Sänger Tim Bendzko, die mich persönlich mit am meisten fasziniert haben. Die oft in tiefschwarz gehaltenen Bilder zeigen spannende Strukturen. Nur manchmal kommt dazu ein strahlendes Gelb-Orange oder Nuancen anderer Farben zum Einsatz. Bendzko selbst bezeichnet sich nicht als großer Kunstkenner und nutzt seit der Pandemie Kunst als Ventil, um sich neben seiner Musik auch noch anders auszudrücken. Neben der oft “lauten” Musik strahlen seine Bilder eine angenehme Ruhe aus und wirken vielleicht auch deswegen so direkt auf mich.
“Beyond Fame” – meine Favoriten
Auch die Werke von Michael Stich sind wie die von Tim Bendzko noch nie zuvor in einer Ausstellung gesehen gewesen. Wie Bendzkos Kunstwerke packen mich auch die Kunstwerke von Ex-Tennisspieler Michael Stich sofort. Die beiden Künstler waren für mich persönlich die Entdeckung der Ausstellung. Vor allem die fünf hochformatigen Werke in ähnlich dunklen Tönen sowie die kleineren drei daneben haben es mir angetan. Wenn ich nur den Platz dazu hätte… auch sind sie wahrscheinlich nicht meine Preisklasse, aber das ist ein anderes Thema.
Die abstrakten Werke von Michael Stich haben Strukturen und Formen, die mich sofort catchen. Irgendetwas in der Größe, der düsteren Farbgebung und Form sowie die Struktur packt mich. Bei seinem Interview und seiner Geschichte merkt man, dass er sich schon länger mit Kunst beschäftigt hat. Stich studierte zwei Semester Kunstgeschichte, richtete sich ein Atelier ein und malte rund 10 Jahre quasi nur für sich, bevor er seine Werke der Öffentlichkeit präsentierte. Er bezeichnet die Kunst als sein liebstes Hobby und Leidenschaft, eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen – und das wohl bereits sehr erfolgreich.
Offensichtliches bei “Beyond Fame”
Doch es gibt auch offensichtliche Kunst bei Beyond Fame im NRW-Forum Düsseldorf. Das heißt aber nicht, dass sie nicht weniger spannend und begeisterungswürdig ist. Doch dass Samy Deluxe etwas mit Graffiti macht, liegt irgendwie fast auf der Hand. Das ist so Teil der Hip-Hop-Kultur, dass ich nicht überrascht bin. Doch die Umsetzung ist spannend, zum Beispiel: Ein Wasserspender, der Farbe spuckt und dabei zu lächeln scheint.
Einen Raum weiter triffst Du auf die Kunst der kanadischen Sängerin Grimes. Wer mit Elon Musk Kinder hat, bei dem erwarte ich auch verstörende Kunst – und ich wurde nicht enttäuscht. Die Bilder von Claire Elise Boucher, wie Grimes mit richtigem Namen heißt, sind bevölkert mit mystischen Figuren, geflügelten Babys, kriegerischen Mangafiguren. Manches erinnert mich ein wenig an Bilder von Hieronymus Bosch. Nicht ganz meins.
Erfrischend naiv hingegen ist die Kunst von Dr. Anton Hofreiter. Es überrascht mich nicht, dass der studierte Biologe farbflächige Naturmotive mit Blumen und Bergen malt. Die Natur, vor allem die tropischen Hochgebirge aus seiner Forschungszeit in Südamerika, inspiriert den jetzigen Politiker auch weiterhin. Kein Wunder, dass auch Maler wie van Gogh und Monet zu seinen Vorbildern zählen.
Überraschendes bei “Beyond Fame”
Anton Hofreiter ist nicht der einzige Politiker, der ausgestellt wird. Mit Edi Rama hat der Kurator Alain Bieber den albanischen Ministerpräsidenten für die Ausstellung gewinnen können. Seine Kunst ist die Weiterentwicklung von Telefonnotizgekritzel in Reinform. Bunte Tinte und Filzstiften in abstrakten Zeichnungen auf tagesaktuellen Programmen und Kalenderblättern seines Arbeitszimmers sind spannend und geben Einblicke in das völlig andere Leben eines Politikers.
Auch überraschend ist die feministische Kugelschreiberkunst von Lea Draeger, die sich in 1000 ökonomische Päpste in zahlreichen kleinen Kunstwerken (mittlerweile über 6.000) mit Päpst:innen auseinandersetzt, mit den hierarchischen und patriarchalischen Strukturen der Kirche und der Welt. Sie studierte zuerst Kunstgeschichte, um dann doch Schauspielerin zu werden. Mittlerweile ist sie eine Art Universalkünstlerin, die neben den Zeichnungen und der Schauspielerei auch Bücher schreibt.
Altbekanntes – Bryan Adams
Wenig überrascht war ich hingegen von Bryan Adams. Er ist seit Jahren bereits als Fotograf unterwegs und bekannt. 2016 besuchte ich in Stockholm seine Ausstellung “Exposed”. Seit dem schätze ich ihn als Fotograf weitaus mehr denn als Musiker. Vor allem seine Fotoreihen, die ausnahmsweise keine prominenten Menschen ablichten, bewegen mich immer sehr. In Stockholm war es “Wounded”, im NRW-Forum Düsseldorf ist es “Homeless”.
Natürlich sind seine Promifotos, vor allem in der monochromatischen Farbgebung orange oder blau, immer brilliant. Doch gerade die unbekannteren Menschen zeigen sich verletzlicher, weniger gestellt oder posend. Das macht für mich die Faszination dieser Fotografien aus.
Pete Doherty – Star und Zugpferd?
Ähnlich faszinierend ist auch die Kunst von Pete Doherty, der ebenso wie Michael Stich extra zur Ausstellungseröffnung und Presserundgang angereist ist. Mit seinen Bands Babyshambles und The Libertines hat er zahlreiche, erfolgreiche Platten veröffentlicht und war das Enfant Terrible einer ganzen Generation. Von den harten Drogen nun offensichtlich geheilt und deutlich gealtert ist er ganz klar der Star und das Aushängeschild von “Beyond Fame”.
Nicht ganz unschuldig daran sind sicherlich Kunstwerke, die mit Eigenblut entstanden. Doch neidlos muss ich anerkennen, diese Kunst, diese Collagen, Zeichnungen, Malereien, aber auch Skulpturen sind spannend. Sie gefallen mir und sie zeigen, wie Doherty sein Leben langsam verarbeitet und bewältigt. Er wirkt angekommen.
Den großen Raum, den seine Werke in der Ausstellung einnehmen, ist gerechtfertigt. Hier kannst Du eintauchen in britischen Punk. Doherty verarbeitet Songtexte und typische englische Symbolik und spielt dabei mit seinem alten Image und Devotionalien.
Skandalööses und (weniger) Beeindruckendes
Skandalöös wird es im Raum nebenan. Das harte Kontrastprogramm zu Pete Doherty wartet in einem in schwarz gehaltenen Raum, den Designer Harald Glööckler dekoriert hat. Seine Skulpturen, die ihn im Stile Ludwig XIV. zeigen, sind da noch das Harmloseste, doch erfüllen sie alle Erwartungen, die ich hatte.
Anderer Künstler:innen sprechen mich persönlich nicht so sehr an. Aber das ist auch gut so. Geschmäcker sind unterschiedlich und Künstler:innen so vielseitig, dass einem nicht alles gefallen kann. Zwar finde ich spannend, was Jean-Remy (von Matt) zeigt oder auch der geheimnisvolle “Gedeon Schenkt”, den es noch bis Dezember zu erraten gilt (als Preis winkt ein Bild “G. Schenkt”). Die Kunst von Isis-Maria Niedecken und Laura Tonke hingegen erreicht mich nicht. Bei Cro bin ich mir noch nicht so sicher, was es mir sagen möchte, und warum man einer Hochstaplerin wie Anna Delvey aka Anna Sorokin eine Bühne bereitet, hat sich mir schon bei Netflix nicht erschlossen.
Hingegen wünsche ich mir mehr von Meret Becker zu sehen. Ihre Kunstwerke waren überraschend, feministisch, aber auch tiefsinnig, ansprechend und einfach schön. Skulpturen, die ein wenig in der Tradition von Joseph Beuys stehen und ein Statement für Frauenrechte sind.
Warum Du in “Beyond Fame” ansehen solltest
Es lohnt sich, einmal hinter die Fassade von Prominenten zu schauen und das eigene Schubladendenken zu hinterfragen und aufzubrechen. Diese Ausstellung hilft dabei und offenbart, dass in manchen Menschen mehr als nur ein Talent schlummert. Die unterschiedlichsten Persönlichkeiten, Stile und Themen wurden zu einer kurzweiligen und interessanten Ausstellung kuratiert. Es macht einfach neugierig, weitere Facetten der Menschen hinter den Werken kennenzulernen.
Der NDR hingegen sieht das Ganze sehr kritisch – vor allem, weil keine weitere Einordnung des Werkes innerhalb der Ausstellung geschieht. Etwas, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Denn nur aus den verschwommenen Künstler:innenportraits und den wenigen Fragen ergibt sich noch kein Gesamtbild.
Reformulierung – Made in Düsseldorf #5
Bis 01. Oktober 2023 ist im Obergeschoss des NRW-Forums Düsseldorf noch die Ausstellungsreihe “Made in Düsseldorf” zu sehen, in der zeitgenössische Künstler:innen in Zusammenarbeit mit der Stadtsparkasse zu sehen sind, die in Zusammenhang mit Düsseldorf stehen.
Bei Reformulierung sind Arbeiten von Markus Karstieß, Donja Nasseri und Peter Piller zu sehen, die sich mit Kunstformen vergangener Kulturen befassen.
Weitere Informationen zu “Beyond Fame”
NRW-Forum Düsseldorf
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf
Öffnungszeiten
- Dienstag-Sonntag: 11-18 Uhr
- Donnerstag: 11-21 Uhr
- Montag: geschlossen
Jeden ersten Donnerstag im Montag ist der Eintritt von 18-21 Uhr Dank der Stadtwerke Düsseldorf frei.
Öffentliche Führungen: sonntags, 14-15 Uhr, Treffpunkt: Foyer
Preise
- Erwachsene: 9 Euro
- ermäßigt: 6 Euro
- Kinder/Jugendliche unter 18 Jahren: Eintritt frei
- Mitglieder des Freundeskreises: Eintritt frei
Weitere Ermäßigungen und freie Eintritte vor Ort möglich – z.B. gibt es beim Besuch des Kunstpalastes am gleichen Tag Rabatte für das NRW-Forum, welches seit 2020 Teil des Kunstpalastes ist.
Fotos: Diese und weitere Fotos unterliegen meinem Urheberrecht und dürfen nicht ohne Genehmigung weiterverwendet werden. Das Urheberrecht der gezeigten Kunstwerke liegt beim jeweiligen Kunstschaffenden. Die Bilder dienen nur zur redaktionellen Berichterstattung.
Offenlegung: Ich wurde zur Pressekonferenz eingeladen und konnte die Ausstellung am Vortag der Ausstellungseröffnung besuchen. Meine Meinung blieb davon unbeeindruckt.
Ein super schöner Artikel mit sehr vielen spannenden Infos und Gedankengängen. Stich ist – nach Deinen Bildern zu urteilen – definitiv auch mein Fall. Dass man Anna Sorokin da eine Bühne gibt, ist in der Tat sehr schade, ich hab die Doku abgebrochen, weil ich den Hype nicht verstanden habe.
Ich war übrigens gerade in der Fontane-Therme in Neuruppin, wo man sich vorgenommen hat, lokale Künstler:innen zu unterstützen. Dort hingen Armin Müller-Stahls und ich war hin und weg. Unter anderem ein Portrait von John Lennon – einfach mega, richtig gut. Die Ausstellung klingt jedenfalls spannend und schade, dass sie so weit weg ist. Danke für den Einblick!
Inka
Danke, Inka!
Stich ist großartig. Wobei mir halt die eher schwarz-weiß gehaltenen großen Bilder eher zusagten als der Rest. Grundsätzlich würdest Du an der Ausstellung bestimmt Deine Freude haben.
Vielleicht verschlägt es Dich ja noch bis Januar mal ins Rheinland, dann wäre das ein guter Zeitvertreib.
Armin Müller-Stahl ist ebenfalls grandios. Ich bereue es, dass ich im Mai doch nicht in die Ausstellung in Ahlbeck gegangen bin, als ich vor Ort war. Immer kam mir irgendwas anderes dazwischen.
Grundsätzlich finde ich aber auch den Bericht des NDR bzw. den Kommentar dort ganz gut, dass man das alles aber auch kritisch sehen könnte – aufmerksamsgewohnte Menschen, die noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Keine Interpretationsansätze oder Einordnung. Was macht das mit Museen, usw. Da liese sich vortrefflich streiten.
Ich war schon lange nicht mehr im NRW Forum, aber es scheint ich muss mal dorthin. Als vor einigen Jahren Brian Adams dort eine Ausstellung hatte war ich einen Tick zu spät – vielleicht schaffe ich es diesmal. Würdest du empfehlen das Ausstellungsbuch zu kaufen?
Bryan Adams lohnt sich immer, meiner Meinung nach. Leider ist es hier nur ein Raum und viele andere Künstler:innen. :D
Es gibt auch keinen Ausstellungskatalog, was mich auch stark wunderte. Ich hätte den sonst gerne empfohlen.