Inhalt
Vorwarnung: diese Inszenierung verlangt dem Zuschauer einiges ab!
Ich rate jedoch jedem Theaterbegeisterten, sich dieses Stück anzutun, auch wenn es Zeit braucht, alle Eindrücke zu verarbeiten.
“1984” – die Handlung
In seinem Roman 1984 entwirft George Orwell das düstere Szenario eines absolutistischen Überwachungsstaates, aus dem es kein Entrinnen gibt. Mittels Gehirnwäsche, einer neu auferlegten Sprache und Gedankenüberwachung ist weder Platz für Individualität, noch für die Infragestellung dieses Systems.
Dieses muss auch der Protagonist Winston Smith erfahren, der letztendlich an seinen aufständlerischen Unternehmungen und einer verbotenen Liebesbeziehung in sein sicheres Verderben läuft. Unter Folter wird er gebrochen und zu einem gehorsamen Untertanen des großen Bruders.
Textbearbeitung von Armin Petras
In der Bearbeitung von Armin Petras erhält der Roman ein versöhnliches Ende, in dem letztendlich die Liebe siegen wird. Orwells “Großer Bruder” ist bei ihm zu einem Computer oder Maschine mutiert, der Mensch und Handlungen nach Algorithmen beurteilt. Durch diesen Kunstgriff bekommt 1984 noch einmal mehr einen aktuellen Bezug zu unserer heutigen Welt.
Längst können Firmen – ich will hier keine Namen nennen – aus unserm Kaufverhalten und Herumstöbern in der virtuellen Welt unsere Bedürfnisse erahnen und steuern. Ein Donald Trump verdreht Wahrheiten zu seinem Vorteil. Die Sprache hat sich in den letzten Jahren rapide vereinfacht und hat Kunstworte geschaffen. Der Mensch ist gläserner als je zuvor geworden. Mehr muss ich dazu nicht sagen…
Bühne und Kostüm
Der Bühnenbildner Olaf Althoff erschafft mit seinem schwarz gestalteten Bühnenraum, der einer Krypta gleicht, eine düstere Atmosphäre. Das unterstreicht nochmals das Unentrinnbare aus diesem System. Das Zentrum der Bühne wird von einem schwarzen Zylinder beherrscht, der auf- und absenkbar ist und aus dem die einzige Lichtquelle kommt.
Dadurch wirkt der Rest der Bühne unwirklich und diffus. Die einzigen Farbakzente setzten die Kostüme der Darsteller, die von Annette Riedel kreiert worden sind. Sie unterstreicht mit ihren Kreationen zum einen die Uniformität der Angepassten, zum anderen die Individualität der sogenannten Unterprivilegierten.
Musik – Woods of Birnam
Armin Petras ist ein kluger Schachzug gelungen. Er konnte den Schauspieler und Vollblutmusiker Christian Friedel – bekannt aus „Der Sandmann“ und „Hamlet“ – dafür gewinnen, Musik und Lieder eigens für diese Produktion zu komponieren und mit seiner Band Woods of Birnam live zu begleiten. Entstanden ist eine Mischung aus düsterem Rock und eingängigen Liedern, die direkt in die Seele gehen. Christian Friedel schreckt auch nicht davor zurück, den Zuschauer mit einer überlauten Geräuschkulisse zu malträtieren.
Schauspiel – von Stuttgart nach Düsseldorf
Bei der Inszenierung handelt es sich um eine Koproduktion mit dem Stuttgarter Staatstheater. Hintergrund hierzu ist das Ausscheiden Petras als Intendant in Stuttgart. Er ist ab der nächsten Spielzeit als Hausregisseur in Düsseldorf engagiert und bringt dementsprechend auch einige seiner großartigen Schauspieler, wie Lea Ruckpaul, Robert Kuchenbuch und Wolfgang Michalek mit.
Was diese Darsteller auf die Bühne bringen, ist an Schauspielkunst nicht zu überbieten. Robert Kuchenbuch zeigt in der Rolle als Winston einen Menschen, der auf der Suche nach Wahrheit und Freiheit gnadenlos alles aufs Spiel setzt.
Wolfgang Michalek ist der schmeichelnde Verführer, der sich innerhalb der Inszenierung letztendlich als brutaler Folterknecht entpuppt. Es sind wahrlich brutale Szenen, die der Zuschauer hier ertragen muss. Folterszenen, die eimerweise Theaterblut und das Geräusch knackender Knochen beinhalten und teilweise die akustische Schallgrenze überschreiten. Dem Zuschauer wird einiges zugemutet. Aber sollte Theater nicht genau das sein? Eine Zumutung, die tief ins Innere des Menschen trifft.
Lea Ruckpaul besticht als Kontrapunkt durch ihr zartes Spiel und ihrer akrobatischen Körperhaftigkeit. Es sind gerade die Liebesszenen zwischen Winston und Julia, die die Grausamkeit und Kälte des Geschehens erträglich machen und einen Hauch von Poesie und Leichtigkeit in die Inszenierung bringen.
Warum solltest Du 1984 unbedingt ansehen?
Ich lege diese Inszenierung all denjenigen ans Herz, die das Theater nicht als blossen Unterhaltungsapparat ansehen, sondern auch etwas an Gefühl und Reflexion mitnehmen möchten. All denjenigen, die sich auf Experimente einlassen möchten.
Details
Düsseldorfer Schauspielhaus
Central Große Bühne
Worringer Str. 140
40210 Düsseldorf
Die nächsten Aufführungstermine:
16.12.2018 sowie 26., 27.01. und 02.02.2019
Titelbild: Ensemble (Thiemo Schwarz, Jakob Ibrahim, Hannah Baufeld, Cathleen Baumann, Bria-Lorene Ackermann, Robert Kuchenbuch, Rahel Ohm, Andrei Viorel Tacu, Wolfgang Michalek, Feras Al-Husseini, Aline Blum) – 1984 von George Orwell, Theaterfassung von Armin Petras im D’haus Düsseldorf
Foto: Thomas Aurin
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